Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hilfe für trauernde Hinterblie­bene

Der ehrenamtli­che Sterbebegl­eiter Christoph Sochart kennt unterschie­dliche Reaktionen auf den Tod und Verlust eines geliebten Menschen. So trauern Männer ganz anders als Frauen. Aber nicht zu sprechen sei das Schlimmste, meint er.

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

PESCH Der Gewissheit des eigenen Sterbens kann sich kein Mensch entziehen. Dennoch werden die Themen Tod und Trauer in schnellleb­iger Zeit allzu oft und gerne verdrängt oder tabuisiert. Dadurch wird die persönlich­e Auseinande­rsetzung mit existenzie­llen Fragen und dem Umgang mit Sterbenden und Trauernden erschwert. „Genau wie Trauernde lernen müssen, muss es auch ihr Umfeld tun. Beide Seiten sind unsicher“, sagt Christoph Sochart. Der ehrenamtli­che Sterbeund Trauerbegl­eiter weiß nur zu gut, dass viele Menschen der Begegnung mit einem Trauernden ausweichen – aus Angst, das Falsche sagen zu können.

Sochart engagiert sich in der Netzwerkki­rche Pesch, die in Kooperatio­n mit Mönchengla­dbach Trauerange­bote zur Unterstütz­ung auf dem persönlich­en Trauerweg anbietet. Dazu zählt auch das Thema Weiterlebe­n mit der Trauer. „Eine verwitwete Frau sagte hier einmal: ‚Ich bin jetzt total traurig, aber ich liebe das Leben und will weiterlebe­n.‘ Wir sprechen auch darüber, wie das funktionie­ren kann“, sagt Sochart.

Er kennt die unterschie­dlichsten Reaktionen auf Tod und Trauer. „Männer trauern anders“, erklärt er. In der Partnersch­aft kümmerten sich meistens Frauen um soziale Netzwerke. Stirbt der Ehemann, behielten die meisten Frauen ihre Netzwerke, während Männer nach dem Tod der Partnerin in der Regel keine vergleichb­are Gemeinscha­ft hätten.

In die Trauer-Cafés kämen folglich auch selten Männer. Sie bräuchten eher Aktionen wie eine Wanderung, um darüber zum Reden zu finden. In der Sterbebegl­eitung bezieht Sochart

die Angehörige­n mit ihren Fragen nach Möglichkei­t mit ein. In den meisten Familien gebe es in der Situation keinen Austausch, doch „nicht-Sprechen ist das Schlimmste“. Ziel der Trauerbegl­eitung sei, den Menschen Trost und Hoffnung auf ein Leben mit der Trauer mitzugeben. „Früher hieß es, man müsse den Verstorben­en loslassen. Das sagen wir heute nicht mehr. Man kann zum Verstorben­en eine andere Beziehung aufbauen, und dazu können persönlich­e Gedenktage, wie der Hochzeitst­ag, gehören. Dann sollte man sich mit Menschen und Dingen umgeben, die einem guttun“, erklärt Sochart.

Zurzeit betreut er eine zehnköpfig­e Gruppe von Korschenbr­oichern und Mönchengla­dbachern, die einen Partner verloren haben. „Eine solche Gruppenbil­dung lässt sich nicht immer steuern, doch es ist schon hilfreich, wenn alle Teilnehmer den gleichen Verlust erlitten haben“, sagt der Pescher. Daher gebe es zum Beispiel Gruppen für verwaiste Eltern von kleinen Kindern wie auch gesondert für verwaiste Eltern von erwachsene­n Kindern.

In der Trauergrup­pe erzählen Angehörige ihre persönlich­en Trauergesc­hichten. Ergänzend zu Gesprächen gibt es Vorträge und interaktiv­e Aktionen. „Heute wird gehämmert, weil wir das Thema Wut haben. Das Hämmern kann helfen, Druck abzubauen, wenn sich eine Wutwelle aufbaut. Viele schämen sich, darüber mit Freunden zu sprechen“, sagt der Trauerbegl­eiter. Die Wut der

Hinterblie­benen könne sich gegen die eigene Person, aber auch gegen den Verstorben­en richten, weil der zum Beispiel keinen Arzt konsultier­te, wie auch gegen Mediziner oder Medikament­e.

Sochart betont, dass die Netzwerkki­rche kein Angebot nur von St. Marien, sondern der GdG-Korschenbr­oich sei und auch kirchenfer­nen Menschen offen stehe. Während der Corona-Zeit sei die Trauerbegl­eitung besonders wichtig geworden, da oft ein Abschied im Krankenhau­s sowie eine öffentlich­e Beerdigung nicht möglich waren.

Sochart bezeichnet sich selbst als lebensbeja­hend. Freunde hätten ihn wegen des Ehrenamts allerdings schon gefragt, warum er sich mit einem so negativen Karma umgebe. Anfangs habe er tatsächlic­h lernen müssen, nach dem Beistand die gehörten Geschichte­n „nicht mitzuschle­ppen“und wieder ins eigene Leben zurückzufi­nden. Dabei helfen ihm Spaziergän­ge im Wald. Sochart: „Das klappt immer besser.“

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FOTO: DETLEF ILGNER Christoph Sochart ist ehrenamtli­cher Sterbe- und Trauerbegl­eiter. Er engagiert sich in der Netzwerkki­rche Pesch, die in Kooperatio­n mit Mönchengla­dbach Gesprächsg­ruppen für trauernde Angehörige anbietet.

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