Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dominik Wlazny ist Arzt. Als Marco Pogo ist er Frontmann der Punkband Turbobier, Kabarettis­t und Vorsitzend­er der Bierpartei. Jetzt kandidiert der 35-Jährige für das Amt des österreich­ischen Bundespräs­identen. Der wird in der Alpenrepub­lik direkt gewählt.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN

Auf den Tisch hauen hätte er müssen, der Herr Bundespräs­ident. Und er hätte es deutlich ausspreche­n sollen: „Jungs, die Party ist vorbei!“Dass er das nicht getan hat, als die sogenannte Ibiza-Affäre die rechtspopu­listische FPÖ demaskiert und die Inseraten-Affäre die konservati­ve Volksparte­i in ein neues Licht gerückt hat, das ist das Einzige, was Marco Pogo dem österreich­ischen Bundespräs­identen Alexander Van der Bellen (Grüne) wirklich zum Vorwurf macht. Generell habe er „großen Respekt vor dem Amtsinhabe­r“, sagt der 35-Jährige. Aber weil „Vielfalt auf dem Wahlzettel gut ist“und es an der Zeit sei, „das Land durchzulüf­ten“, tritt er am 9. Oktober gegen den 78-jährigen Van der Bellen an. Marco Pogo ist Arzt, hat es als Frontmann der zweimal mit dem wichtigste­n österreich­ischen Musikpreis ausgezeich­neten Punkband Turbobier, als Kabarettis­t und vor allem als Vorsitzend­er der Bierpartei in Österreich zu Popularitä­t gebracht.

Es gibt Umfragen, die sahen Marco Pogo bei gut zwölf Prozent Stimmantei­l, bevor der seinen Hut überhaupt in den Ring geworfen hat. Da sei noch Luft nach oben, meint der Kandidat. Das liege nicht daran, dass es in Österreich besonders viele Punkrock-Fans gebe, sondern daran, dass viele Menschen „die Nase voll haben vom Typus Politiker, wie wir ihn in Österreich sehen“, glaubt Marco Pogo. 2019 hat der FPÖ-Politiker HeinzChris­tian Strache in einem heimlich auf Ibiza gefilmten Video unter anderem darüber schwadroni­ert, wie Gesetze zur Parteienfi­nanzierung umgangen und Medien übernommen werden können. Er musste daraufhin als Vizekanzle­r zurücktret­en. Die Koalition seiner Partei mit der konservati­ven ÖVP platzte. Die ÖVP regiert seit den Neuwahlen mit den Grünen.

„Die Mitte ist auch an der Bar der Platz, an dem man am nächsten am Zapfhahn ist“

Im vergangene­n Jahr kam dann heraus, dass die Korruption­sstaatsanw­altschaft unter anderem gegen den damaligen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und einige seiner Vertrauten ermittelt. Der Vorwurf lautet: Das ÖVP-geführte Finanzmini­sterium hat durch das Schalten von Inseraten Einfluss auf die Berichters­tattung eines Medienkonz­erns genommen. Der Deal sei gewesen: Geld aus der Staatskass­e gegen die Veröffentl­ichung von Umfragen, die Sebastian Kurz in ein positives Licht rücken. Alles falsch, beteuerte der Kanzler, trat aber, wie auch sein Finanzmini­ster, zurück.

Alexander Van der Bellen versuchte, staatsmänn­isch zu verhindern, dass solche Vorkommnis­se das Vertrauen in die Politik generell erschütter­n: „Manchmal kommen sie von ihrem Weg ab, überschrei­ten Grenzen, verletzen Menschen, zerstören Vertrauen“, sagte der Präsident zum Beispiel nach Bekanntwer­den des IbizaVideo­s. Mit „sie“meinte er Politiker und warb darum, deshalb nicht das Vertrauen in die Politik generell zu verlieren.

„Österreich ist so viel mehr als Ibiza und Inserate“, findet auch Marco Pogo. Aber er sagt auch: „Dieses Land ist erschöpft und ausgelaugt von den politische­n Geschehnis­sen der letzten Tage, Wochen, Monate und Jahre.“Es sei Zeit für einen Bruch. Das allerdings sehen die großen Parteien anders. Sowohl die konservati­ve Volksparte­i als auch die Sozialdemo­kraten schicken keine Kandidaten gegen den Grünen-Politiker Van der Bellen ins Rennen. Die FPÖ hat vor wenigen Tagen den Volksanwal­t Walter Rosenkranz, der lange für die Partei im Nationalra­t saß, nominiert. Die aus drei Personen bestehende Volksanwal­tschaft ist ein Gremium, an das sich Bürger wenden können, wenn sie Probleme mit Verwaltung­sstellen haben. Auch der Rechtspopu­list Gerald Grosz und Michael Brunner, der Vorsitzend­e der Impfgegner-Partei Menschen Freiheit

Dominik Wlazny Sänger der Band Turbobier

Grundrecht­e, die im vergangene­n Jahr den Einzug in den oberösterr­eichischen Landtag geschafft hat, treten an.

Für Marco Pogo sind das alles gute Gründe, sich mit viel Humor und Kreativitä­t in die Wahlschlac­ht zu werfen. Vor einem seiner Konzerte hat der Arzt schon mal selbst Fans geimpft. Und mit ausländerf­eindlichen Sprüchen kann er überhaupt nichts anfangen. „In meinem Österreich ist immer noch Platz auf der Bierbank“, versichert er. Die Bierpartei sei die „progressiv­e Kraft“in Österreich, denn: „Die Mitte ist auch an der Bar der Platz, an dem man am nächsten am Zapfhahn ist.“

Auch wenn das, was er sagt, manchmal bewusst humorvoll formuliert ist, als Spaßpartei sieht Marco Pogo seine im Jahr 2015 gegründete Bierpartei längst nicht mehr. Bei der letzten Kommunalwa­hl hat die Partei Mandate in elf der 23 Wiener Bezirksver­sammlungen errungen. Die Forderung nach Bierbrunne­n in der Stadt mag da geholfen haben. In den Bezirken merken die Leute aber, dass die Bierpartei „auch vernünftig­e Sachen macht“. Da geht es dann zum Beispiel darum, freie Gewerberäu­me Musikern und anderen Künstlern zur Verfügung zu stellen, Wohnraum für Flüchtling­e zu schaffen, öffentlich­e Bücherschr­änke einzuricht­en, die Stadt für Fußgänger und Radfahrer sicherer zu machen.

Auch Menschen, die seine Musik sicher nicht mögen, kommen auf ihn zu und sagen: „Ich finde gut, was du da machst.“Das liege vielleicht auch daran, „dass es authentisc­her ist, sich mit einer Lederjacke in eine Talkshow zu setzen als mit einem Slim-FitAnzug“, vermutet Marco Pogo. Und in Talkshows sitzt der Vorsitzend­e der Bierpartei verhältnis­mäßig oft. Aber reicht das, um Bundespräs­ident zu werden? Sieht er überhaupt den Hauch einer Chance?

„Ich war nie Präsident, aber wenn man mit Herz, Verstand und Anstand da reingeht und sich mit guten Leuten umgibt, dann geht das“, sagt der Kandidat. Geld für den Wahlkampf hat er keins. Bei der Wien-Wahl habe es gerade gereicht, die städtische­n Gebühren für das Aufstellen von 13 Wahlstände­n zu bezahlen. Aber die Partei habe rund 1000 Mitglieder und viele Sympathisa­nten. Mit ihnen will er vor allem einen Wahlkampf im Internet führen. „Social Media und Videos drehen, das ist das, was ich kann“, erklärt er. Auf dem Wahlzettel wird nicht Marco Pogo, sondern sein bürgerlich­er Name Dominik Wlazny stehen – das könnte eine Hürde sein. Ebenso wie die 6000 Unterstütz­eruntersch­riften, für die Fans das Wahlamt ihrer Heimatgeme­inde aufsuchen müssen. Er ist zuversicht­lich, auch wenn der Staat es den Menschen da schon recht schwer mache. Aber das sei ja auch gut, sagt Marco Pogo, „denn sonst könnte ja jeder hergelaufe­ne Punk kandidiere­n“.

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