Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Spinnen und das Ruhrgebiet
Vor zwölf Jahren bevölkerten Massen von Riesenweberknechten Duisburg und Mülheim. Sie saßen unter Brücken und an Wänden. Doch die Plage ging schnell vorbei, mittlerweile sind nur noch einzelne Exemplare unterwegs.
DUISBURG/MÜLHEIM Nicht erst seit dem Auftauchen der NosferatuSpinne versetzen die achtbeinigen Tiere uns Menschen immer mal wieder in Aufregung. Vor zwölf Jahren zeigte sich im Ruhrgebiet ein Phänomen, an das sich viele noch erinnern werden: Die Riesenweberknechte bevölkerten das Ruhrgebiet.
Wahrscheinlich kamen sie mit Schiffen zu uns, wie man heute vermutet. In Europa wurden die Spinnen erstmals in Rotterdam gesichtet. Es dauerte nicht lange, da waren die Riesenweberknechte auch bei uns zu sehen. Besonders im Ruhrgebiet versetzten sie 2010 viele Menschen in Angst und Schrecken. Zu Hunderten sammelten sie sich teilweise unter Brücken und gaben so ein schauriges und ungewohntes Bild ab. Experten rätselten damals lange, woher die Tiere kamen und warum sie sich im Ruhrgebiet niedergelassen hatten.
Stephan Loksa, Spinnenexperte vom Aquazoo Löbbecke in Düsseldorf, erinnert sich an die Aufregung: „Menschen mögen neue Dinge nicht, besonders bei Spinnen ist das so. Das merken wir ja gerade bei den Nosferatu-Spinnen“, sagt er. Dabei wären Spinnen eng mit der Kultur der Menschen verbunden. „In den meisten Kulturen sind sie entweder Götter oder das ultimative Böse, fast überall lösen sie also zumindest starke Gefühle bei den Menschen aus“, so Loksa. Dass das Auftreten dieser Tiere damals so erschreckend war, liege in ihrem Verhalten. Sie rotten sich tagsüber in großen Gruppen zusammen und bilden eine Kolonie. „Das kann dann schon einschüchternd wirken“, so der Spinnen-Experte.
Ursprünglich seien die Riesenweberknechte in den Tropen beheimatet. Dort mache ihr Gruppenverhalten auch durchaus Sinn und sei bei vielen Arten verbreitet. „Das ist ähnlich wie bei großen Fischschwärmen: Wer zusammenbleibt, ist besser gegen Feinde geschützt“, erklärt Loksa. Durch die Koloniebildung
können Fressfeinde das Gebilde nicht mehr als Ansammlung von Weberknechten erkennen und lassen von ihm ab. Heimische Arten zeigten kein solches Verhalten und leben solitär. In der Nacht schwärmen die Tiere dann auseinander und jagen, bevor sie sich am Morgen wieder zusammenfinden.
Viele Menschen waren vor zwölf Jahren auch wegen der rasanten Verbreitung der Tiere besorgt. „Man fürchtete, dass sie sich so schnell vermehren, dass sie die heimischen Arten verdrängen. Das passiert ja immer wieder, wenn neue Arten zu uns kommen“, sagt Loksa. Doch diese Befürchtung habe sich nicht bewahrheitet, offensichtlich konnten sie die deutschen Winter nicht gut überstehen. Heimische Arten suchten sich für die kälteren Monate ein Versteck, so der Experte. Dieses Verhalten zeigten die Riesenweberknechte nicht, weshalb sie den Winter kaum überlebten. „Ich habe auch versucht, sie zu züchten, doch das ist mir nicht gelungen“, sagt Loksa. Heute seien nur noch selten einzelne Populationen bei uns zu finden, und es würden immer weniger.
Auch wenn die großen Gebilde furchteinflößend wirkten, Gefahr bestand für den Menschen nicht. „Weberknechte haben kein Gift, sie können uns gar nichts anhaben“, sagt Loksa. Ihre Kieferklauen seien eher mit den scherenartigen Werkzeugen von Skorpionen zu vergleichen. Damit fangen sie ihre Beute, hätten aber gegen die menschliche Haut keine Chance.