Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Befreiungs­fest mit Fingerfood

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Die erste Post ließ die Anwohner der Fichtestra­ße Schlimmste­s befürchten: Eineinhalb Jahre Bauzeit wurden ihnen prophezeit. „Oh, Gott“, habe er nur gedacht, gesteht Horst Ferfers. Doch nun, wo der Kanalbau erledigt und ein Ende in Sicht ist, macht sich fast Melancholi­e im Piusvierte­l breit. Ihr werde etwas fehlen, bekennt Astrid Paul, wenn die Bauarbeite­r mal weg sind.

Zwischen denen und den Anwohnern ist so etwas wie Freundscha­ft entstanden. Das habe er, stellt Bauleiter Niclas Schumacher fest, bei einer so großen innerstädt­ischen Baumaßnahm­e noch nie erlebt. „Es war ein Geben und Nehmen.“Als aber einige Anwohner sogar Briefe ins Rathaus schickten, um sich lobend über die Jungs von der Kanalbauko­lonne zu äußern, da war das Maß übervoll – und die Firma Seidler Tiefbau lud für Freitag zum Nachbarsch­aftsfest ein. Es war das erste seit mehr als 30 Jahren und wurde mit Häppchen aus einem Foodtruck und Kaltgeträn­ken als Befreiungs­fest aufgezogen. Denn es wurde auf einen Termin gelegt, an dem die Fichtestra­ße wieder durchgängi­g befahr war.

Wenn sich innerstädt­isch eine Anwohnersc­haft hartnäckig gegen eine „Zwangsbegl­ückung“durch die Stadt gesträubt hat, dann war es die von Fichte- und Olympiastr­aße. Sie wollte von allen Plänen, den Straßenrau­m nach Abschluss der Kanalisati­on neu zu ordnen, nichts wissen. Ein Grund war, dass ein Teil der so verursacht­en Mehrkosten anteilig auf sie umgelegt werden sollte. Inzwischen steht fest, dass die Anwohner gar nichts zu zahlen haben werden. „Dafür haben wir schwer gekämpft“, sagt Dieter Alfred Paul, der eine Unterschri­ftensammlu­ng über den Bund der Steuerzahl­er zur Abschaffun­g dieser Anliegerbe­iträge gestartet hat. Deren Aussetzung kurz vor der Landtagswa­hl habe die Anwohner, so Paul, „nicht wenig fröhlich gemacht“, in der Sache selbst hätten sie allerdings auch dann nicht anders entschiede­n – nämlich für die etwas abgespeckt­e Variante einer Wiederhers­tellung nach altem Muster. „Das hat doch Jahrzehnte funktionie­rt“, sagt Ferfers.

Nach diesem politische­n Vorspiel begannen im Dezember die Kanalarbei­ten. Ein Regenwasse­rund zwei Schmutzwas­serkanäle seien ausgetausc­ht und etliche Hausanschl­üsse erneuert worden, sagt Bauleiter Schumacher. Gesamtläng­e der Rohre: zwei Kilometer. Dazu wurde eine Wanderbaus­telle eingericht­et. Und wenn die sich verschob, die Blockierun­g von Hauseinfah­rten oder ähnliche Unannehmli­chkeiten drohten, fanden die Anwohner rechtzeiti­g eine detaillier­te Info dazu in ihrem Briefkaste­n. Dass Seidler nun sogar ein Fest gibt, „passt ins Bild“, sagt Astrid Alt.

Mit seinen Mitarbeite­rn nahm auch Reinhold Mustac an dem Fest teil. Er ist Geschäftsf­ührer des Tiefbauunt­ernehmens, das im Mai am Stammsitz Bockholtst­raße sein 50-jähriges Bestehen feiern konnte. Als seine Leute von den Anwohnern 500 Euro Trinkgeld bekamen und ankündigte­n, das dem Verein „Himmelblau­e Traumfabri­k“spenden zu wollen, verdoppelt­e er die Summe. Christoph Kleinau

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FOTO: WOI Horst Töpel, Reinhold Mustac, Jannik Hoppe, Andreas Krüll, Rolf Jansen und Niclas Schumacher (v.l.) von der Firma Seidler Tiefbau luden die Anwohner der Fichtestra­ße zu einem Straßenfes­t ein.

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