Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Union will Dienst für Deutschland
Auf dem Parteitag im September soll es auch um ein mögliches Pflichtjahr gehen.
BERLIN Die Vorbereitungen für den Parteitag der CDU Anfang September in Hannover laufen. Während viele in der Union vor wenigen Wochen noch dachten, der Streit um die Frauenquote werde den zweitägigen Konvent überlagern, so ist man sich inzwischen sicher: Die Energiepolitik, die Gaskrise und die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs werden die bestimmenden Themen sein. Aber: Die Union will auch viel Grundsätzliches auf den Weg bringen – so soll etwa über die Einführung eines Gesellschaftsjahres für junge Leute abgestimmt werden. Ob die Partei den „Dienst für Deutschland“beschließen wird, ist eigentlich nicht mehr die Frage. Sondern, ob er verpflichtend oder freiwillig sein soll.
Im Antrag für den Parteitag, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es, junge Menschen sollten „sich wieder zeitweilig und konkret für unser Land und für unsere Gesellschaft“engagieren. Das stärke auch die Persönlichkeit. „Wir wollen es ermöglichen, dass Kinder aus Akademikerhaushalten auf Kinder aus Brennpunktvierteln treffen.“Zwischen zwei Varianten sollen sich die Delegierten in Hannover entscheiden. Variante eins sieht das verpflichtende Gesellschaftsjahr ab 18 Jahren vor, „das in der Regel unmittelbar nach dem Schulabschluss absolviert werden soll“. In dem Papier liest man, mit einer Verpflichtung würden vor allem diejenigen erreicht, die von einem Gesellschaftsjahr „in ganz besonderem
Maße“profitieren könnten – etwa junge Menschen, die sich ausgeschlossen fühlten „und mit unserer Gesellschaft hadern“, so die Union. Zugleich erreiche man auch jene, „die von Anfang an elitäre, eng gefasste Karrierewege verfolgen“. Einen Zwang zu einem bestimmten Dienst soll es nicht geben, die Entlohnung soll durch ein „attraktives Dienstgeld“erfolgen. Für die Umsetzung strebt die Union eine Grundgesetzänderung an.
Variante zwei setzt auf Anreize. Das freiwillige Gesellschaftsjahr soll demnach ein zeitlich flexibles Engagement in gesellschaftlichen Organisationen ermöglichen, „von einem zwölfmonatigen Dienst bis hin zu einer mehrjährigen Dienstleistung in der Freizeit“. Dazu bedürfe es „gezielter Anreize zur Motivationssteigerung“, heißt es in dem Papier. So könne es Vorteile bei der Studienplatzvergabe oder Erleichterungen bei der Rückzahlung von Bafög geben. Darüber hinaus will die Union mit Interrailtickets, der Förderung des Führerscheins oder Anrechnung bei der Rente ködern.
Mit Blick auf den Parteitag hofft mancher in der CDU nun, dass die Debatte über das Gesellschaftsjahr die um die Frauenquote erst recht verdrängen könnte. Generalsekretär Mario Czaja sagte unserer Redaktion, in der grundsätzlichen Haltung sei man sich bei dem Vorhaben einig, es gehe um Einsatz für andere, das Bekenntnis zum Land, um Wertschätzung für die Blaulichtorganisationen und sozialen Einrichtungen. „Unterschiedliche Auffassungen gibt es in der Frage, ob dieses Deutschlandjahr verpflichtend sein oder man Anreize für einen freiwilligen Dienst ausbauen sollte“, so Czaja.
Einer der Initiatoren ist Carsten Linnemann, stellvertretender Parteichef und Vorsitzender der CDUProgrammkommission. Er sagt: „Wir brauchen ein Gesellschaftsjahr, das verpflichtend ist.“Nur so würden sich Jugendliche aus unterschiedlichen Milieus treffen. „Das findet in Deutschland immer weniger statt. Die Bindekräfte lassen stark nach, die digitale Blase nimmt zu, die Streitkultur verkommt“, sagte Linnemann unserer Redaktion. Dabei müssten alle Optionen offenstehen: „Ein Gesellschaftsjahr im europäischen Ausland, bei der Bundeswehr, bei den sozialen Diensten. Wir müssen das Angebot breit fächern.“Zur Finanzierung könnten dann auch „die Mittel für das freiwillige soziale Jahr umgeleitet werden“, so Linnemann. Für welche Variante sich der Parteitag entscheiden wird, ist offen.