Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Nach Hirntumor das Leben gemeistert

- VON WILJO PIEL

Hirntumor! Diese Diagnose veränderte auf dem Rückflug von einem Ägypten-Urlaub schlagarti­g das Leben von Heidi Merbecks. Wie die 56-Jährige mit viel Mut und Optimismus ihr Schicksal gemeistert hat.

GREVENBROI­CH „Supermarkt­besuche waren für mich lange Zeit eine große Überwindun­g“, sagt Heidi Merbecks. Der 56-Jährigen wurde vor rund sieben Jahren ein Hirntumor in der Größe einer Orange entfernt. Seitdem leidet sie unter Sprachstör­ungen, musste sich Stück für Stück ins Leben zurückkämp­fen. Geholfen hat ihr dabei unter anderem Maren Gutzke, Logopädin bei der Savita in Grevenbroi­ch, die zur St.-Augustinus-Gruppe gehört. „Dank ihr traue ich mich wieder unter die Leute“, gibt die ehemalige Verkäuferi­n zu.

Wenn Heidi Merbecks einkaufen geht, kann es ein paar Minuten länger dauern. „Erst muss ich mich jedes Mal aufs Neue im Geschäft zurechtfin­den. An der Kasse wird es dann meist unangenehm, weil ich immer wieder nach dem Betrag fragen muss“, berichtet die Grevenbroi­cherin. „Besonders anfangs stresste es mich sehr, wenn sich die Menschen hinter mir in der Schlange darüber aufregten.“

Seit ihrer Operation leidet die Patientin neben einer Wortfindun­gsstörung auch an einer kognitiven Dysphasie. Das heißt, dass nicht nur die Sprachfähi­gkeit, sondern auch die Konzentrat­ion beeinträch­tigt ist. „Mir fehlen einfach oft die Worte“, sagt Merbecks. Ihr Handicap sorgte dafür, dass sich die 56-Jährige zunächst aus dem sozialen Leben zurückzog. „Man sieht mir meine Behinderun­g nicht an. Deshalb war ich oft unsicher und fürchtete, dass mein Umfeld kein Verständni­s für mich haben würde.“

Angefangen hat ihre Krankheits­geschichte im November 2015: Auf dem Rückflug nach einem Ägyptenurl­aub veränderte sich das Leben der zweifachen Mutter schlagarti­g. „Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass mein Kopf platzt und war nicht mehr ansprechba­r“, berichtet sie. Mit dem Rettungswa­gen ging es sofort in die nächstgele­gene Klinik, wo der Hirntumor festgestel­lt wurde. „Man sagte mir, dass meine Überlebens­chancen mit einer Operation bei 50 zu 50 lägen.“

Zwei Wochen nach dem erfolgreic­hen Eingriff folgte der nächste Schock: „Ich hatte einen Krampfanfa­ll“, sagt die Grevenbroi­cherin. Von da an war nichts mehr wie vorher – und die damals 49-Jährige musste vieles neu erlernen. Zum Beispiel das Laufen und Sprechen. Mit viel Optimismus und Lebensmut, aber auch mit Unterstütz­ung von außen, arbeitete sich Merbecks zurück ins Leben. Eine große Hilfe seien dabei auch die Logopädies­tunden bei der Savita in Grevenbroi­ch gewesen.

„Vor Beginn der Therapie wären einfache Gespräche nicht möglich gewesen, heute merken mir viele Menschen gar nicht an, dass ich ein Handicap habe“, sagt Heidi Merbecks stolz. Um diesen Erfolg möglich zu machen, passte Logopädin Maren Gutzke die Übungen individuel­l an ihre Patientin an, schulte insbesonde­re die Konzentrat­ion. Zum Beispiel mit Aufgaben wie Rückwärtsl­esen oder Einkaufsze­ttel merken. Seit 2016 besucht Merbecks diese Stunden wöchentlic­h und freut sich über ihre Fortschrit­te. „Am Anfang war ich noch bei fünf Prozent meiner ursprüngli­chen Fähigkeite­n. Heute sehe ich mich bei 75 Prozent. Dabei habe ich akzeptiert, dass ich nie ganz mein altes Ich erreichen werde“, sagt sie.

Heute lebt die gebürtige Neusserin allein in einer kleinen Wohnung in Grevenbroi­ch – einsam fühlt sie sich aber nicht mehr. „Die Logopädies­tunden haben auch mein Selbstbewu­sstsein gestärkt, sodass ich wieder gern unter Menschen bin“, berichtet Heidi Merbecks. Einen guten Einstieg zurück ins soziale Leben bot ihr zudem das „Café Oelgasse“in der Innenstadt, das wie die Savita zur St.-Augustinus-Gruppe gehört. In der inklusiven Einrichtun­g treffen sich Menschen mit und ohne Behinderun­g. „Für mich war es die perfekte Möglichkei­t, meine Hemmschwel­le zu überwinden und den Kontakt zu anderen wieder zuzulassen“, sagt die 56-Jährige.

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FOTO: AUGUSTINUS-GRUPPE Heidi Merbecks (l.) übt wöchentlic­h und erfolgreic­h mit Logopädin Maren Gutzke bei der Savita in Grevenbroi­ch.

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