Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Neubau-Pläne für Frimmersdorfer Heim
Der Zweckbau „Am Steelchen“ist nicht zu retten: Das Gebäude soll abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, der bis zu 100 Bewohnern Platz bietet. Die Stadt braucht dringend mehr Unterkünfte, um Flüchtlinge unterzubringen.
FRIMMERSDORF Die Flüchtlingsunterkunft „Am Steelchen“hat ausgedient: Das Heim aus Zeiten der Jugoslawienkriege soll durch einen Neubau ersetzt werden. Das bestehende zweietagige Gebäude, das aus Anfang der 1990er Jahre stammt, ist so sanierungsbedürftig, dass der Erhalt zu teuer wäre. Ursprünglich war das Heim als Zweckbau zur schnellen Unterbringung von bis zu 50 Personen angelegt worden, der Komplex besteht aus einem Festbau und Containern. Derzeit leben dort 33 Menschen. Die meisten sind 2015 oder vorher als Flüchtlinge nach Grevenbroich gekommen und geduldet. Andere befinden sich im Anerkennungsverfahren.
Pläne für einen Neubau gibt es seit rund sechs Monaten, allerdings ist der Krieg in der Ukraine dazwischengekommen. Mit einem Mal mussten Lösungen für eine sofortige Unterbringung gefunden werden, die in Form der Sporthalle am Berufsbildungszentrum und der Turnhalle in Hülchrath auch gefunden wurden. Das „Steelchen“musste dafür pausieren. Weil die Stadt aber generell mehr Platz für die Unterbringung geflüchteter Menschen schaffen muss, kommt dem Objekt eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. „Geplant ist an selber Stelle ein Neubau für 100 Personen“, sagt Sozialdezernent Michael Heesch. Derzeit befinde sich das Projekt in der Vorentwurfsplanung.
Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Fachleute prüfen, was am Standort möglich ist und was nicht. Voraussichtlich nach den Sommerferien sollen Ergebnisse vorliegen. Schöpft man das Potenzial der Fläche aus, könnte jedoch 100 Menschen dort ein Obdach geboten werden, sagt Heesch. Danach müssten weitere Planungsschritte folgen, etwa der Sozialausschuss, der Hauptausschuss und zu guter Letzt der Rat eingebunden werden. Bis tatsächlich ein Neubau „Am Steelchen“entsteht, dürfte also noch viel Wasser die Erft hinunterfließen.
Allerdings möchte die Stadt diesmal keinen Zweckbau mit einer regulären Nutzungsdauer von zehn bis 15 Jahren errichten, sondern etwas Dauerhaftes, „einen Festbau“, sagt Dezernent Heesch. Er kündigt eine Umstrukturierung des Standorts in Hinblick auf die Belegung der dann neuen Unterkunft an. Es soll eine Mischung sein – aus Einzelpersonen und Familien.
Zurzeit sind „Am Steelchen“überwiegend Einzelpersonen untergebracht. Schon von außen macht das Gebäude einen heruntergekommenen Eindruck. Auch innen soll es nicht gerade einladend aussehen. Wie Heesch erläutert, müsste im Innern in einigen Bereichen eine Kernsanierung vorgenommen werden, um diese Unterkunft längerfristig zu erhalten. Derzeit könnten dort maximal 36 Menschen untergebracht werden, die sich vor Ort selbst versorgen. Dafür gibt es Wohnräume, sanitäre Anlagen und Küchen im Objekt.
Die Stadt ist verpflichtet, für die Unterbringung von Flüchtlingen zu sorgen – nicht nur kurzfristig. Was
Heesch Sorge bereitet: Nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung von Flüchtlingen regelt, liegt die Stadt Grevenbroich zurzeit bei einer Erfüllungsquote von 78 Prozent. Etwa 730 Menschen sind in Verantwortung der Stadt bisher in Unterkünften untergebracht, 22 Prozent oder 156 Menschen könnten der Stadt nach diesem Schlüssel noch zugewiesen werden – „nach jetzigem Stand“, betont Michael Heesch, denn: Der Schlüssel ist dynamisch, die Zahlen steigen eher, als dass sie fallen.
Genau das stellt die Stadt vor gewaltige Herausforderungen. Um Flüchtlinge aus der Ukraine und Ortskräfte aus Afghanistan unterzubringen, die derzeit noch in der Sporthalle des Berufsbildungszentrums leben, hatte die Stadt im Mai einen Mietvertrag für die ehemaligen Bauten des RWE-Bohrbetriebs nahe des Kraftwerks Neurath geschlossen. Diese sind so modifiziert worden, dass sie bis zu 60 Menschen Platz bieten. Doch auch diese Möglichkeit besteht nur befristet, konkret bis April. Noch im Juli sollen die Menschen aus der Sporthalle dort unterkommen. Eine weitere Unterkunft (ebenfalls für bis zu 60 Personen) richtet die Stadt derzeit im Obergeschoss der alten Molkerei nahe des Elsbachtunnels ein. Das für die Molkerei vorgesehene Neubauprojekt ist für drei Jahre auf Eis gelegt.
Kürzlich hatte Bürgermeister Klaus Krützen den Ratsleuten unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Stadt weitere Standorte braucht, um die Unterbringung von Flüchtlingen zu gewährleisten – auch um auf künftige Krisen besser vorbereitet zu sein. Anlass dazu hatte dem Rathaus-Chef unter anderem die städtische Haushaltslage gegeben, die sich durch die kurzfristige Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine um 2,3 Millionen Euro verschlechtert hat.