Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kritik an Pflicht zum Corona-Testangebot
Viele Betriebe bieten ihren Mitarbeitern bereits Corona-Tests an. Nun wird dies zur Verpflichtung.
RHEIN-KREIS Das Anschreiben hat vielleicht zumindest einen kleinen Beitrag zu weniger Bürokratie geleistet. Vor einigen Tagen hatte sich die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein in einem Brief an die Bundestags- und Landtagsabgeordneten aus der Region gegen eine Testpflicht für Betriebe ausgesprochen. Seit Dienstag ist klar: Unternehmen müssen ihren Beschäftigten künftig Corona-Tests anbieten. Das Bundeskabinett hat eine entsprechende Verordnung zum Arbeitsschutz beschlossen. IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz betont, dass die bürokratischen Hürden nicht so hoch seien wie zunächst befürchtet. „Obwohl die Freiwilligkeit aus unserer Sicht zielführender gewesen wäre, erkennen wir an, dass die Bundesregierung den Bürokratieaufwand gering halten möchte“, erklärt er.
Das Plädoyer für Freiwilligkeit lässt sich auch mit Zahlen begründen. Der Sachstandsbericht „Wirtschaft testet gegen Corona“, den die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) Anfang April vorgelegt haben, zeigt, dass zahlreiche Unternehmen bereits Schnellund Selbsttests anbieten. Zwischen 80 und 90 Prozent setzten sie bereits ein beziehungsweise bereiteten sie vor, Tendenz: steigend.
Der Neusser Unternehmer David Zülow, NRW-Landesvorsitzender
des Verbands „Die Familienunternehmer“, betont, dass „gesunde Mitarbeiter im ureigensten Interesse eines Unternehmers“liegen. „Wir setzen bei uns im Betrieb ja auch bereits auf Corona-Tests“, sagt er. Das Testen findet er richtig, die Testangebotspflicht kritisiert er aber. „Im Grunde wird davon abgelenkt, dass flächendeckende Tests eigentlich eine Kernaufgabe der Gesundheitsbehörden wären“, sagt er. „Dort wären sie viel sinnvoller angesiedelt, außerdem bedeutet die Pflicht für die Unternehmen ja trotz allem zusätzliche Bürokratie.“Die Betriebe müssen, so sieht es die Testangebotspflicht
vor, ihren Beschäftigten, die nicht dauerhaft im Homeoffice arbeiten, ab der kommenden Woche mindestens einen Corona-Test pro Woche anbieten. Unter Umständen, zum Beispiel bei Kundenkontakten, muss auch ein zweiter Test zur Verfügung gestellt werden. Allerdings: Eine Testpflicht für Arbeitnehmer gibt es nicht.
Die Betriebe müssen nachweisen, dass sie die entsprechenden Tests beschafft haben. „Grundsätzlich ist das Testen – neben der Impfkampagne – ein wichtiges Instrument, um die Pandemie zu überwinden“, betont Steinmetz. Das sagt auch
Marc Peters, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Niederrhein. „Viele Handwerksunternehmen machen ihren Mitarbeitern längst Testangebote oder bereiten dies unmittelbar vor. Das wissen wir aus täglichen Kontakten mit Betrieben aller Handwerksbranchen“, sagt er. Die Kreishandwerkerschaft setze auf das freiwillige Engagement der Betriebe – da bedürfe es keiner gesetzlichen Verpflichtung. „Im Übrigen bin ich der Auffassung: Wenn es einen gesetzlichen Zwang gibt, dann muss der Gesetzgeber die Kosten dafür tragen und darf die Unternehmen nicht im Regen stehen lassen.“