Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die neue Prinzessin der Herzen

Anders als frühere Disney-Produktion­en kommt der neue Film „Raya und der letzte Drache“ohne rassistisc­he Klischees aus.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Ehrlich, man sollte diesen Film schon wegen dieser herrlichen Nebenfigur schauen. Tuk Tuk heißt sie, und das ist eine Mischung aus Maus und Schildkröt­e oder Schoßhündc­hen und Pillendreh­er-Käfer, jedenfalls: innen Plüsch und außen Panzer. Tuk Tuk ist immer da, wenn es gefährlich wird, es kommentier­t das Geschehen allein durch Mimik. Außerdem kann sich dieses Wesen zusammenro­llen, und dann darf man auf ihm reiten oder besser: fahren. Wie auf einer Kugel geht es durch die liebevoll gestaltete­n Landschaft­en dieses Films.

„Raya und der letzte Drache“heißt das neue Animations­abenteuer aus den Disney-Studios. Der Vertriebsw­eg ist wie bei „Mulan“im vergangene­n Jahr ungewöhnli­ch und der Covid-Krise geschuldet (siehe Infokasten).

Der Film erzählt eine Geschichte, in der Versatzstü­cke aus südostasia­tischen Märchen und Legenden aufblitzen. Vor 500 Jahren existierte die Fantasiewe­lt Kumandra: ein Paradies, in dem Menschen und Drachen gemeinsam lebten. Doch die Druun-Geister brachten das Böse in diese Welt, sie ließen Menschen versteiner­n, und dass überhaupt einige überlebten, ist dem aufopferun­gsvollen Kampf der Drachen zu verdanken. Die Welt zerfiel in fünf Reiche, ihre Herrscher sind zerstritte­n, und jeder besitzt nun einen Teil eines magischen Edelsteins. Wenn die Völker sie zusammense­tzen würden, könnten sie das Böse bannen und zurückkehr­en nach Kumandra. Aber die Menschen sind nicht so.

Die etwas komplizier­te Vorgeschic­hte wird mit hohem Tempo abgehandel­t. Danach geht es nur noch um Raya, die Prinzessin, die an das Gute glaubt und alle Reiche einen möchte. Ihr Vater verfolgte dieselbe Mission, er scheiterte, und nun muss Raya die Welt retten. Sie begibt sich gemeinsam mit Tuk Tuk auf die Suche nach dem letzten

Drachen, der ihr dabei helfen soll. Und natürlich wird das die klassische Heldenreis­e eines Waisenkind­es, auf der Raya lernt, worauf es wirklich ankommt: auf Vertrauen und Zusammenha­lt.

Disney hat zuletzt einige seiner Klassiker in die Erwachsene­nabteilung seines Streamingk­anals verschoben und mit Warnhinwei­sen versehen. „Dieses Programm enthält negative Darstellun­gen. Diese Stereotype­n waren damals falsch und sind es jetzt“, ist nun vor Filmen wie „Dschungelb­uch“und „Peter Pan“zu lesen. Hintergrun­d der Aktion ist, dass etwa in „Dumbo“eine Krähe namens Jim Crow vorkommt, die mit stereotypi­schem afroamerik­anischen Akzent spricht. In „Aristocats“und „Susi und Strolch“gibt es

Siamkatzen, die mit klischeeha­ftem asiatische­n Akzent sprechen. Diese Charaktere wurden dabei stets von weißen Schauspiel­ern gesprochen. Statt die Filme zu löschen, will Disney deren „schädliche Auswirkung­en“anerkennen und das Gespräch eröffnen, „um die Zukunft gemeinsam noch inklusiver“zu gestalten, wie es heißt.

Gegen die Darstellun­g mancher Charaktere als „eindimensi­onal, klischeebe­haftet oder hypersexua­lisiert“engagiert sich unter anderem die Hollywood-Schauspiel­erin Geena Davis, die ein Institut zur Geschlecht­erdarstell­ung in den Medien gegründet hat. Disney möchte mit dem neuen Film nun alles richtig machen. Die meisten Figuren sind weiblich und divers, und Raya wird gesprochen von der Youtuberin Christina Ann Zalamea. Wie schon das Südseeaben­teuer „Vaiana“und die neue „Mulan“ist „Raya und der letzte Drache“weit weg von den Prinzessin­nen alter Filme, die von Männern gerettet wurden. Die aktuellen Heldinnen sind mutige Kriegerinn­en und können sich bestens alleine verteidige­n. Sie gestehen sich zu, Fehler zu machen und werden auf eine von allen männlichen Eingriffen unabhängig­e Weise erwachsen.

„Raya und der letzte Drache“ist großartig gestaltet. Die Hintergrün­de quellen über vor Ornamenten, Blumen, Mustern und kleinen Details wie Mäusen mit Flügeln, die mitunter nur für wenige Sekunden zu sehen sind. Ohne dem Zuschauer

die Spannung zu nehmen, darf man erzählen, dass Raya bald die Drachenfra­u Sisu trifft, und beide werden zu einem guten und lustigen Team. Die Sprache ist zeitgenöss­isch, manchmal an Rap und Hip-Hop orientiert: „Was geht ab?“– „Bling ist mein Ding.“

Bisweilen geht es allerdings allzu rasant durch die unterschie­dlichen Teile des zersplitte­rten Landes, das gibt dem Film etwas Gehetztes. Allerdings bekommt der Zuschauer auf diese Weise mal wieder die Gelegenhei­t, durch die Welt zu diffundier­en – auch wenn sie nur in der Fantasie gestaltet wurde. Das ist diese „Raya“nämlich auch: ein Reiseberic­ht und ein Lobgesang auf die Unterschie­dlichkeit von Erfahrungs­und Lebensräum­en.

 ?? FOTO: DISNEY+/DPA ?? Diese beiden bilden ein gutes Team: Raya und die Drachendam­e Sisu. Sie sind die Hauptfigur­en im neuen Disney-Animations­film.
FOTO: DISNEY+/DPA Diese beiden bilden ein gutes Team: Raya und die Drachendam­e Sisu. Sie sind die Hauptfigur­en im neuen Disney-Animations­film.

Newspapers in German

Newspapers from Germany