Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Merkels nächste Bewährungsprobe
Die Abläufe sind stets dieselben, die Themen ähneln sich: Öffnen oder nicht? Die Ministerpräsidentenkonferenz berät an diesem Mittwoch erneut. Doch für die Kanzlerin geht es diesmal um mehr. Sie konnte sich in der Corona-Pandemie stets darauf verlassen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung ihren Kurs mitträgt.
Doch es ist etwas ins Rutschen geraten. Es gibt großen Unmut, zurzeit kommen viele Dinge ungünstig zusammen. Das Infektionsgeschehen ist diffus, die Infiziertenzahlen und die sonstigen Pandemiewerte sinken nicht mehr, steigen allerdings auch (noch?) nicht unkontrolliert. Die Warnungen von Medizinern und Wissenschaftlern aber vor einer dritten Welle durch die Mutation sind da, manches Szenario wirkt sehr bedrohlich. Gleichzeitig bröckelt das Vertrauen der Menschen zusehends. Warum?
Bei den großen Linien hat die Politik in Deutschland kein gutes Bild abgegeben. Warum gelingt es immer noch nicht, Schulen und Kitas unter Pandemiebedingungen wieder zu öffnen? Das Schuljahr kann schon jetzt abgehakt werden. Warum gelingt es nicht, den nun vorhandenen Impfstoff schnellstmöglich unter die gesamte Bevölkerung zu bringen – stattdessen aber über Gesetzentwürfe für vermeintliche Impfvordrängler nachzugrübeln? Merkel hätte in den vergangenen zwei Wochen hier die Deutungshoheit an sich ziehen sollen, öffentlich klarmachen, dass das die oberste Priorität ihrer Regierung ist.
Es braucht jetzt weniger düstere Prophezeiungen als eine klare Linie: impfen, impfen, impfen, egal wen und wo, Hauptsache, der vorhandene Impfstoff kommt nun zu den Menschen, die ihn nötig haben, und dann zu denen, die ihn wollen. Merkel sollte jetzt vorsichtig agieren und dennoch zeigen, dass sie die Signale der Bürger ernst nimmt. Regeln nützen nichts mehr, wenn keiner sich daran hält.