Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

In der Vor-Weihnachts­bäckerei

- VON ELISABETH KELDENICH

Zwar hat das Kunstcafé Einblick für Gäste nicht geöffnet, in der Einrichtun­g wird aber trotzdem gearbeitet. Brigitte Albrecht hat Ideen entwickelt, um den Menschen mit Behinderun­g einen strukturie­rten Tagesablau­f zu bieten.

KAARST Aktuell gleicht das Kunstcafé Einblick einer vorweihnac­htlichen Backstube, in der es fast geräuschlo­s zugeht: Konzentrie­rt arbeiten Menschen mit und ohne Behinderun­gen Hand in Hand. An fünf Tischen, genannt Stationen, sitzen die eifrigen Bäcker verteilt mit genügend Abstand. Stefan, Lisa und Alexander verzieren die vor ein paar Tagen gebackenen Mürbeteigp­lätzchen – weihnachtl­iche Motive wie Tannen, Monde, Engel und Elche werden langsam bunt. In Schüsselch­en haben sie zuvor Zuckerguss Marke „Royal Icing“mit individuel­l ausgewählt­en Farben gemixt: Eine „voll geile Farbe“ist für Stefan rosa – und mittels Flaschen trägt er den Guss exakt auf: Hier kommt ihm seine Modellbaue­rfahrung zugute, verrät er.

An einer anderen Station rollen Julius und Kati, die ein Freiwillig­es Soziales Jahr absolviert, hingebungs­voll Rumkugeln: „Das sind einfach übrig gebliebene und zerkleiner­te Kuchenrest­e meiner Motivtorte­n, die ich mit Rum gemischt habe“, erzählt Brigitte Albrecht schmunzeln­d. Die ehrenamtli­che Geschäftsf­ührerin des Kunstcafés Einblick hat alles im Blick, verteilt neuen Zuckerguss und gibt Tipps zum Verzieren der Plätzchen mit bunten Mini-Liebesperl­en. An den anderen Tischen wird neuer Mürbeteig geknetet, bekommen Makronen mit Schokolade­nguss den letzten Schliff und Nadine überträgt benötigte Zutaten aus einem handgeschr­iebenen Rezeptheft ihrer Schwester. Alle genießen die ruhige und gleichzeit­ig betriebsam­e Atmosphäre und sind mit viel Spaß bei der Sache. Das Café ist seit dem 2. November geschlosse­n:

„Arbeit ist verboten, aber nicht etwas gemeinsam zu machen – gerade im Arbeitsber­eich von Menschen mit Behinderun­g sehr wichtig“, sagt Brigitte Albrecht.

Im ersten Lockdown im Frühjahr hat sie beobachtet, welche Auswirkung­en die Schließung von März bis August hatte: Es gab große Probleme für die Menschen mit Behinderun­gen, denn die feste Tagesstruk­tur durch die Arbeit im Café fiel weg. Nach fünf Tagen verloren sie bereits die Basisquali­fikationen. Denn die Wohnhäuser durften sie wegen der Infektions­gefahr nicht verlassen. Das durfte nicht noch einmal passieren, schwor sich Brigitte Albrecht

und entwickelt­e nun für den derzeitige­n „Lockdown light“Ideen für einem geregelten Tagesablau­f: Von halb neun bis elf Uhr wird täglich gebacken und demnächst getanzt: Das seien arbeitsbeg­leitende Maßnahmen, denn so müssten die Mitarbeite­r morgens aufstehen, sich fertigmach­en und wegfahren. Und bleiben nicht einfach liegen, erklärt Brigitte Albrecht mit Augenzwink­ern.

Die Plätzchen und schon fertig gestellte gebrannte Mandeln werden demnächst durch den benachbart­en Friseur zum Verkauf angeboten, der extra einen Teil seiner Vitrine freiräumt. Und nach dem Backen wird der „Jerusalema-Tanz“eingeübt und soll auf dem Rathauspla­tz vorgeführt werden: „Ich möchte verhindern, dass das Thema Inklusion aus dem Blickfeld gerät“, erklärt Brigitte Albrecht. Das nächste Projekt ist auch schon in Vorbereitu­ng: eine profession­elle Farb- und Stilberatu­ng mit Alltagstau­glichkeit für die Menschen mit Behinderun­gen, die damit für ihr äußeres Erscheinun­gsbild sensibilis­iert werden sollen. Sobald die lokalen Kosmetiker wieder arbeiten dürfen, geht es los. Das Ergebnis wird in einer Broschüre zu sehen sein, die zu einem späteren Zeitpunkt veröffentl­icht wird. Bis dahin wird fleißig weiter gebacken.

 ?? NGZ-FOTO: SALZBURG ?? Brigitte Albrecht (2.v.l.) bereitet mit Lisa, Stefan und Alex die Verzierung von Plätzchen vor. Das Kunstcafé Einblick hat zwar geschlosse­n, bietet seinen Mitarbeite­rn mit Handicap aber einen strukturie­rten Alltag an.
NGZ-FOTO: SALZBURG Brigitte Albrecht (2.v.l.) bereitet mit Lisa, Stefan und Alex die Verzierung von Plätzchen vor. Das Kunstcafé Einblick hat zwar geschlosse­n, bietet seinen Mitarbeite­rn mit Handicap aber einen strukturie­rten Alltag an.

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