Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gefährliche Fracht aus NRW
Seit Tagen ist ein neuer Uran-transport von Nordrhein-westfalen nach Russland unterwegs. Umweltschützer sind ernsthaft besorgt. Doch was sagen die Behörden und die Betreiber dazu?
Die Umweltschützer in Russland demonstrieren seit Langem dagegen. Vergangene Woche hatten auch Demonstranten in Nordrhein-westfalen den Zug mit der gefährlichen Fracht rund fünf Stunden blockiert.
Die Aktivisten in Moskau sprechen von Atommüll. Für den russischen Atomkonzern Rosatom ist es dagegen ein Wertstoff, der in eigenen
Wladimir Sliwjak Aktivist Anreicherungsanlagen zur Herstellung von angereichertem Uran verwendet werde. „Uranhexafluorid ist nach russischem Gesetz kein radioaktiver Abfall, da er der weiteren Verwendung als Rohstoff für Uranprodukte unterliegt“, sagt eine Sprecherin von Rosatom.
Diese Unterscheidung ist der Grund, weshalb solche Transporte überhaupt in Deutschland starten dürfen. Per Gesetz darf kein radioaktiver Abfall ins Ausland transportiert werden. Bei Uranhexafluorid, das bei der Anreicherung von Uran für Atomkraftwerke als Abfall anfällt, sei keine „atom- oder strahlenschutzrechtliche Ausfuhrgenehmigung“notwendig, heißt es aus dem Bundesumweltministerium in Berlin. Das Material fällt in die Kategorie „sonstiger radioaktiver Stoffe“.
Selbst in Deutschland stößt diese Praxis auf Kritik. „Das hochgiftige und strahlende Uranhexafluorid als Wertstoff umzudeuten, ist verantwortungslos“, sagt die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Sylvia Kotting-uhl. „Eine Wiederanreicherung ist zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber zu aufwendig und unwirtschaftlich.“Die Grünen-politikerin wirft der Bundesregierung Naivität vor. Diese müsse sich offen die Frage stellen, was Russland mit dem deutschen Atommüll mache.
Rosatom sagt dazu, dass mithilfe einer in Russland entwickelten Gaszentrifugen-technologie abgereichertes Uran kostengünstig wieder angereichert und danach wieder ins Ausland gebracht werde. Wohin, das sagt sie nicht. Uran komme nicht nach Russland, um hier eingelagert zu werden, erklärt das Staatsunternehmen. Die bei der Anreicherung anfallenden Rückstände würden „in speziellen Standorten russischer Anreicherungsanlagen
zur weiteren Verwendung in der Nuklearindustrie und anderen Branchen zwischengelagert“.
In Deutschland dürften die Transporte dennoch weiterhin für Zündstoff sorgen. Sie sind nach einem von den Grünen im Bundestag in Auftrag gegebenen Gutachten womöglich rechtswidrig. Da das Material auch für die Produktion uranhaltiger Munition verwendet werden könne, handele es sich um einen „Verstoß der Bundesregierung gegen die Russland-sanktionen der EU bei der Exportgenehmigung nach Dual-use-verordnung“, erklärt die Grünen-politikerin und Umweltausschuss-vorsitzende Sylvia Kotting-uhl.
Russische Umweltschützer sehen hauptsächlich die Gronauer Firma in der Pflicht. „Produzenten von Atommüll müssen die Verantwortung dafür übernehmen und diese Abfälle selbst verwerten“, meint der Aktivist Wladimir Sliwjak. „Andernfalls würde die Welt zweigeteilt: in einen reichen Teil der Erde, der Abfälle produziert und sie wegschafft – und in einen armen schmutzigen Teil der Erde, der diese Abfälle aufnimmt.“
„Produzenten von Atommüll müssen die Abfälle selbst verwerten“