Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zwiespälti­ger Eindruck von Pigor & Eichhorn

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NEUSS (CC) Auf dem Flügel von Benedikt Eichhorn liegt ein abgegriffe­nes, zerfledder­tes Büchlein. Darin steht, immer wieder nachgeschl­agen, wie man auf der Kleinkunst­bühne zum Erfolg kommt. Eine der Regeln für Musiknumme­rn: „Spätestens nach 60 Sekunden muss der Refrain zu hören sein.“

Bei dem Auftritt von Eichhorn und seinem Partner Thomas Pigor im RLT war zumindest diese Regel teilweise in Vergessenh­eit geraten. Überdehnte Balladen, bei denen man nicht nur den Refrain, sondern gleich des Ende herbeisehn­te, machten diesen Abend nicht nur zum reinen Vergnügen. Dabei haben Pigor & Eichhorn so viel zu bieten. Seit 1993 touren sie als preisgekrö­ntes Kleinkunst-duo durch die Lande. So bekannt sind ihre Programme, dass die inzwischen ohne richtige Titel auskommen. „Volumen 9“heißt das, was sie derzeit zeigen. Vor einigen Jahren hatte Thomas Pigor die Idee, jeden Monat ein neues Chanson zu komponiere­n. Der Dauerstres­s brachte ihn schließlic­h dazu, die Sache einzustell­en. In Neuss wärmten die Beiden ihr Chanson des Monats Mai wieder auf: „Muttertags­vergesser“nennen sie die vielen Unholde, denen der zweite Sonntag im Mai weniger wichtig ist als der Valentinst­ag.

Die Themen des Programms sind eine bunte Mischung aus allem, was man in Berliner Intellektu­ellen-kreisen und vielleicht auch manchmal in der Provinz auf den Tisch bringt. Auch wenn der Refrain meist viel zu spät kommt, es gibt ihn immer. In Berlin, wo das Duo seit langem lebt, kann ihr Publikum von manchen Songs nicht genug kriegen. „Kleine

dicke Frauen“rufen sie ständig oder „Hitler“. Auf seltsame Weise sei es erhebend, wenn ein ganzer Saal „Hitler“ruft, meint der Pianist. In Neuss funktionie­rte die Vereinnahm­ung der Zuhörer nur teilweise. Zwar stieß der Flügel bereits nach kurzer Zeit mächtig Qualm aus, doch die Lust, bei einer Schimpfkan­onade auf SUVS mitzusinge­n, bewegte sich gegen Null. So kam es dann auch, dass sich nach der Pause die Reihen lichteten.

Dabei boten die Kabarettis­ten im zweiten Teil das bessere Programm. Ihr Chanson „Am Hauptbahnh­of von Paris“spielt an einem Ort, den es in Frankreich­s Hauptstadt so gar nicht gibt. Die Melodie aber zitiert Jacques Brels berühmten Klassiker „Amsterdam“, einfach wunderbar. Auch ihre kleine Nummer über NRW, das sie in der Aussprache als „énervé“, als „genervt“präsentier­en.

Weniger Erfolg hatte Thomas Pigor mit seinem überlangen Auftritt als männlicher Burka-träger und der Behauptung, sich unter dem schwarzen Tuch „behaglich und zu Hause“zu fühlen. Beinahe peinlich, das Ganze. Die Schlussnum­mer aber bot echte Kleinkunst-qualität: „Lass das doch die Gastgeber machen“, ein Verzweiflu­ngsschrei über geladene Gäste, die zu früh erscheinen und sich dann ständig in alles einmischen wollen.

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FOTO: THOMAS NITZ Das Duo Pigor & Eichhorn war im RLT zu Gast.

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