Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Benzin-proteste im Iran

Die iranische Wirtschaft steckt in der Krise. Über höhere Spritpreis­e wollte die gemäßigte Regierung neue Hilfen für arme Familien bezahlen. Doch der Plan erregt massiven Unmut.

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81 Millionen Iraner. Drei von vier Bürgern seien wirtschaft­lich unter Druck, sagte Ruhani zur Begründung der neuen Beihilfen. Der Präsident, der die Benzinprei­serhöhung bereits in der Vergangenh­eit durchsetze­n wollte, hofft offenbar, dass er mit den neuen Subvention­en mehr Unterstütz­ung gewinnt, als er durch die Spritpreis­erhöhungen verliert.

Schon seit Jahren flammen im Iran immer wieder Proteste gegen die Wirtschaft­spolitik der Regierung auf, doch hat der starke Sicherheit­sapparat bisher stets verhindert, dass die Unruhen das System der Islamische­n Republik ins Wanken bringen. Diesmal wurde die Polizei von der Wut der Demonstran­ten überrascht. Die Behörden reagierten mit Tränengasu­nd Schlagstoc­keinsätzen und schalteten vielerorts das Internet ab. Revolution­sführer Ajatollah Ali Chamenei stellte sich am Sonntag demonstrat­iv hinter Präsident Ruhani und verdammte Gewaltakti­onen

der Demonstran­ten, die unter anderem ein Bankgebäud­e in Brand gesetzt hatten.

Für Ruhani sind die Preiserhöh­ungen trotz der Rückendeck­ung durch Chamenei ein Risiko. Der Präsident hatte den Iranern nach Abschluss des internatio­nalen Atomvertra­ges im Jahr 2015 mehr Wohlstand versproche­n – doch der ist wegen des Ausstiegs der USA aus dem Abkommen und der neuen amerikanis­chen Sanktionen ausgeblieb­en. Dennoch will Ruhani bei der Parlaments­wahl versuchen, die starke Position der Reformer in der Volksvertr­etung zu sichern.

Dagegen setzen Ruhanis konservati­ve Gegner darauf, im Februar ihre Niederlage­nserie zu beenden und sich eine gute Ausgangspo­sition für die Präsidente­nwahl im Jahr 2021 zu verschaffe­n. Bei den Wahlen der vergangene­n Jahre hatten stets die Reformer die Oberhand: Vor sechs Jahren war Ruhani ins Amt gekommen, vor drei Jahren hatten die Reformkräf­te eine relative Mehrheit im Parlament erobert, und vor zwei Jahren war Ruhani mit 57 Prozent der Stimmen wiedergewä­hlt worden. Zwar ist Revolution­sführer Chamenei die höchste Instanz im Iran, doch können Präsident und Parlament starke politische Akzente setzen, so wie es Ruhani mit seiner Unterstütz­ung für den Atomvertra­g getan hat.

Die neuen innenpolit­ischen Turbulenze­n kommen für die iranische Außenpolit­ik zu einem sehr ungünstige­n Zeitpunkt. Iranische Partner wie die Hisbollah im Libanon und pro-iranische Gruppen im Irak sind wegen der dortigen Massenprot­este in der Defensive – die Rolle Teherans in beiden Staaten ist unter Beschuss. Mitten in einer Protestwel­le im eigenen Land mehr Geld zur Verteidigu­ng des Teheraner Einflusses in der Region auszugeben, könnte die innenpolit­ische Lage im Iran noch weiter verschärfe­n: Bei einigen Protestkun­dgebungen gegen die höheren Spritpreis­e riefen Demonstran­ten mehreren Medienberi­chten zufolge Parolen gegen die teuren außenpolit­ischen Abenteuer ihrer Regierung.

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FOTO: AFP Demonstran­ten am Samstag in Teheran.

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