Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Grüne: Scheuer fehlt Durchblick bei der Bahn
Der Minister verhandelt derzeit die Finanzhilfen für den Staatskonzern. Der Sanierungsstau ist enorm.
BERLIN (jd/mar) Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat nach Ansicht der Grünen keinen Überblick über den Investitionsbedarf im Schienennetz der Bahn. In seiner Antwort auf eine Anfrage der Oppositionspartei verweist das Ressort auf noch laufende Berechnungen. „Aktuell wird die Höhe des Nachholbedarfs ermittelt“, schreibt Scheuers Ministerium. Grünen-verkehrspolitiker Matthias Gastel übt Kritik: „Angesichts der massiven Qualitätsprobleme im Personen- und Güterverkehr ist es für uns nicht nachvollziehbar, dass der Bund es bis heute nicht geschafft hat, den Sanierungsstau im Bahnnetz genauer zu taxieren.“
Derzeit verhandelt der Bund mit der Bahn über die sogenannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Darin werden Qualitätsziele vereinbart, für die die Bahn bei Einhaltung Geld bekommt. Nach Angaben des Bundesrechnungshofes sind für das Jahr 2019 gut vier Milliarden Euro vorgesehen, die Bahn hatte bereits Bedarf von einer Milliarde Euro mehr angekündigt.
Doch auch die Rechnungsprüfer kritisierten schon eine mangelnde Übersicht des Ministeriums. Der Bund gebe der Bahn jedes Jahr Milliarden zum Bau neuer Schienen, Brücken, Stellwerke, Oberleitungen oder Brücken. Das Verkehrsministerium aber wisse gar nicht genau, wie die Bahn und ihre Tochtergesellschaften die Milliardenzuschüsse einsetzten. Es fehlten eine wirksame Kontrolle und klare Prioritäten, teilte der Rechnungshof Ende vergangenen Jahres mit.
In seiner Antwort weist das Ministerium dies nun zurück. Die Kritik des Bundesrechnungshofes werde von der Bundesregierung überwiegend nicht geteilt, heißt es in der Antwort auf die Grünen-anfrage. Gastel sagte dazu:„bundesverkehrsminister Scheuer muss jetzt schleunigst dafür sorgen, dass der Bundestag einen genauen Überblick über das Ausmaß des Sanierungsstaus im Bahnnetz bekommt.“Erst dann könne man den künftigen Investitionsbedarf im Rahmen der dritten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beziffern, sagte Gastel.
Unterdessen hat die Eisenbahngewerkschaft EVG eigene Berechnungen vorgelegt. In einem Papier schätzt sie den Sanierungsstau bei Schienen, Brücken, Stellwerken und Bahnhöfen auf insgesamt rund 57 Milliarden Euro. Das berichtet das „Handelsblatt“. Demnach heißt es in der Evg-positionierung, dass es aufgrund fehlender Ersatz- und Modernisierungsinvestitionen „zu einer zunehmenden Überalterung der Schieneninfrastruktur“komme. Die dadurch zusätzlich entstehenden Wartungs- und Instandhaltungsinvestitionen beziffert die Gewerkschaft mit einer Milliarde Euro im Jahr.