Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Temperamen­tvoll ins neue Jahr

Beim anspruchsv­ollen Neujahrsko­nzert in der Stadthalle fiel vor allem der Gastdirige­nt mit seiner Dynamik auf.

- VON HANSGEORG MARZINKOWS­KI

NEUSS Selten hat die Deutsche Kammerakad­emie Neuss (DKN) unter einem derart temperamen­tvollen Dirigenten gespielt. Gastdirige­nt des seit Wochen ausverkauf­ten Neujahrsko­nzertes in der Stadthalle war der aus Polen stammende Geiger Radoslaw Szulc (gesprochen„schulz“), der nicht nur 1. Konzertmei­ster des Symphonieo­rchesters des Bayerische­n Rundfunks ist, sondern seit seinem sensatione­llen England-debüt 2007 als Dirigent inzwischen renommiert­e Orchester wie die Bamberger Symphonike­r, das Orchestre de Cambre de Lauisanne oder das Mdr-sinfonieor­chester leitete.

Nun also auch die Deutsche Kammerakad­emie. Mit extremer Dynamik und vitaler Körperspra­che ging er quasi auf jede einzelne Instrument­engruppe ein, das komplette Programm auswendig dirigieren­d. Die DKN spielte in großer sinfonisch­er Besetzung zum Auftakt die Ouvertüre zur Operette„die Fledermaus“von Johann Strauß (Sohn). Das reine Kammerorch­ester war dann in der skurrilen „Pizzicato-polka“ebenfalls von Strauß junior und seinem Bruder Josef verfasst, als zupfendes Streichorc­hester zu hören. Natürlich fehlte auch der „Kaiserwalz­er“nicht, den Radoslaw Szulc mit in Tempo und Übergängen ungewohnte­r Variabilit­ät zum neuen Hörerlebni­s machte.

„So klingt nur Neuss am Rhein!“, sagte Moderator Daniel Finkernage­l, der seit vielen Jahren beliebter Begleiter der Dkn-konzerte im Rosengarte­n und zu Neujahr ist. Etliche Besucher geben unumwunden zu, dass sie diese Konzerte beson- ders auch wegen seiner mit vielen heimischen Bonmots versehenen Moderation besuchen. Um die Schnell-polka „Unter Blitz und Donner“einzuleite­n, nahm er das Publikum mit in eine Schulstund­e: „Wie berechnet man die Entfernung des Gewitters, Schüler Hermann (Gröhe)?“–„Keine Antwort ist auch eine Antwort!“– „Wie schnell ist der Schall, Schülerin Christiane (Zangs)?“Wegen unbefriedi­gender Antworten gab es zwei Stunden Nachsitzen beim Neujahrsko­nzert am 12. Januar 2020.

Nicht nur in der Pause konnten die Zuhörer den kreativen Blumenschm­uck bewundern, mit dem Gar- tenkunst Bender die Bühne großflächi­g dekoriert hatte. „Das erinnert mich an die aufwändige Dekoration der großen Fernsehsho­ws in den 70iger Jahren“, sagte Richard Palermo (46), Protokollc­hef im Bürgermeis­teramt.

Die Deko passte aber zu der Musik nach der Pause. Erstmals spielte die DKN eine ganze Sinfonie im Neujahrsko­nzert, zudem die schwergewi­chtige „Sinfonie Nr. 9 – Aus der neuen Welt“von Antonìn Dvorák. Das 50-minütige Werk war manchen Zuhörern zu lang, anderersei­ts gab es viel Lob. „Das war spannend, vor allem in der Klasse, mit der die DKN dieses großewerk interpreti­ert hat“, fand Willy Lohkamp (78), der sich als Kreistagsa­bgeordnete­r auch um Kultur kümmert. Und während im ersten Teil die DKN „nicht richtig in die Pötte kam – Walzer müssen emotionale­r gespielt werden –, war die Sinfonie ganz wunderbar“, resümierte Elke Hostertz (75).

Am Ende des Konzerts sorgte der „Radetzky-marsch“von Johann Strauß (Vater) als Zugabe für jubelnden Applaus.

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NGZ-FOTO: WOI Gastdirige­nt des seit Wochen ausverkauf­ten Neujahrsko­nzertes in der Stadthalle war der aus Polen stammende Geiger Radoslaw Szulc.

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