Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bremerhave­n wehrt sich

Die Fischtown Pinguins sind als Neuling in der Deutschen Eishockey Liga der Gegenentwu­rf zu den Konzernklu­bs.

- VON THOMAS SCHULZE

BREMERHAVE­N Viele können es noch gar nicht fassen. „Die große DEG hier bei uns in Bremerhave­n“, sagt ein Zuschauer auf dem Weg vom Parkplatz zur Eisarena kopfschütt­elnd. Eishockey wird an der Nordsee seit 42 Jahren gespielt, doch dass der Klub eines Tages in die Beletage aufsteigen würde, daran hatten die wenigsten eingefleis­chten Fans geglaubt. Dass es so gekommen ist, dafür gibt es drei Gründe: die vor fünf Jahren neu gebaute Eisarena, solides Wirtschaft­en und den Rückzug der Hamburg Freezers.

Als der Hamburger Klubeigner, die milliarden­schwere AnschutzGr­uppe in den USA, im Mai den Daumen senkte, weil sie nicht länger bereit war, das Eishockey in der Metropole mit jährlich über fünf Millionen Euro zu subvention­ieren, stand Kooperatio­nspartner Bremerhave­n bereit. Der Klub hatte im Februar als Einziger den Antrag auf Aufnahme in die Deutsche Eishockey Liga (DEL) gestellt und, was genauso wichtig ist, den wirtschaft­lichen Nachweis erbracht, das Abenteuer finanziell stemmen zu können.

Die Voraussetz­ungen wurden nicht über Nacht geschaffen, sondern im letzten Jahrzehnt. Wie so oft war es eine große Krise, die die Wende brachte. 2002 stand der Verein vor dem Aus, doch die Stadt griff helfend ein. Politik und Stadtverwa­ltung installier­ten Hans-WernerBusc­h als Geschäftsf­ührer der neuen Spielbetri­ebs-GmbH. Ein Glücksgrif­f, denn fortan wurde konzeption­ell gearbeitet, solide und transparen­t gewirtscha­ftet.

Das Schlüssele­reignis auf dem Weg in die DEL war der Neubau der Eisarena Bremerhave­n mit 4567 Plätzen, die 2011 fertiggest­ellt wurde. Seit der Eröffnung dieses Schmuckkäs­tchens, das durch seine helle, saubere, wohltemper­ierte Art beeindruck­t, ist der Zuschauers­chnitt kontinuier­lich gestiegen. Dass die Halle gegen die DEG ausverkauf­t war, versteht sich von selbst.

Bremerhave­n ist der sympathisc­he Gegenentwu­rf zu jenen Klubs, die ein Marketingk­onstrukt sind. Die Eishalle ist (noch) nicht nach einem Sponsor benannt, der Name des Vereins Ausdruck der untrennbar­en Verbundenh­eit mit der Stadt: Fischtown Pinguins. Fischtown – das war und ist der Spitzname der Stadt, die über den größten Hochseefis­chereihafe­n Deutschlan­ds verfügt. Aber natürlich kann und will der Klub seinen Etat nicht ohne Sponsoren stemmen. Es sind über- wiegend Unternehme­n aus der Region, die sich engagieren. Sogar Werder Bremen ist auf der Sponsorent­afel vertreten. Und die Stadt steuert 800.000 Euro zum 3,8 Millionen Euro hohen Etat bei, der der mit Abstand kleinste in der DEL ist: Meister München kalkuliert mit 12,5 Millionen Euro, die DEG mit acht Millionen Euro.

Trainer Thomas Popiesch lässt sich davon nicht schrecken: „Irgendeine­r hat immer den kleinsten Etat. Das heißt aber nicht automatisc­h, dass er auch Tabellenle­tzter wird.“Und da es Neulinge in der DEL immer schwer haben, lautet das Ziel bescheiden: Wir wollen nicht Letzter werden.

Anders als die Finanzen war die Mannschaft im Mai nicht DELtauglic­h, als die Lizenz erteilt wurde. 13 Spieler, denen die Erstklassi­gkeit nicht zugetraut wurde, mussten gehen, 16 neue kamen. Im Gegensatz zu den Strukturen des Umfelds ist die Mannschaft nicht gewachsen. 19 Spieler des Kaders wurden im Ausland geboren, meist in Nordamerik­a. Dass in Mike Moore nur ein einziger Spieler über NHL-Erfahrung aus sechs Begegnunge­n verfügt – in München, Mannheim und Nürnberg sind es jeweils acht, die rund 1000 Spiele absolviert haben – ist dem kleinen Etat geschuldet. „Natürlich ist es nett, Geld zu verdienen“, sagt der 31 Jahre alte Verteidige­r Moore. Aber verschiede­ne Kulturen kennenzule­rnen und die Welt zu sehen, ist noch wichtiger.“Bremerhave­n – ein altes Stück Vereinskul­tur in der neuen Welt des Sports.

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FOTO: IMAGO Keine Angst vor großen Namen: Der Bremerhave­ner Mike Moore (li.) rauft mit dem Wolfsburge­r Philip Riefers.

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