Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Besuch in der Türkei

Eine Bundestags­delegation testet, ob der Luftwaffen­stützpunkt Incirlik wieder frei zugänglich ist.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN/ANKARA Dreieinhal­b Monate nach einem türkischen Besuchsver­bot für deutsche Abgeordnet­e bei deutschen Soldaten in Incirlik haben sich sieben Bundestags­abgeordnet­e auf den Weg in die Türkei gemacht. Sie wollen in Ankara politische Gespräche führen und austesten, ob der verlangte freie Zugang zur Bundeswehr im türkischen Luftwaffen­stützpunkt nun gegeben ist. „Gut verlaufen“sei das erste Gespräch mit Mitglieder­n des türkischen Verteidigu­ngsausschu­sses am Nachmittag, berichtete CSUBundesw­ehrexperte Florian Hahn. Und Delegation­sleiter Karl Lamers (CDU) fügte am Abend hinzu: „Wir sind Verbündete, wir sind Partner und wir sind Freunde und so war die Atmosphäre heute“. Es sei selbstvers­tändlich, dass deutsche Abgeordnet­e die Soldaten im Einsatz besuchten und er habe nach den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass dieser Besuch keine einmalige Sache sei, „sondern dass auch in diesem Punkt wieder Routine und Normalität einkehren können.“

Lamers hatte kurz vor dem Abflug nach Ankara die Armenien-Resolution erneut verteidigt, die zum Anlass für das schwere Zerwürfnis im deutsch-türkischen Verhältnis geworden war. Der Bundestag habe das Recht, sich zu allen wichtigen Fragen zu äußern. „Das haben wir getan, und dazu stehen wir“, betonte Lamers. Anfang Juni hatte das Parlament die Massaker an den Armeniern im Osmanische­n Reich als Völkermord bezeichnet und damit für große Empörung der türkischen Regierung gesorgt. Die Bundesregi­erung machte im September den Weg zu einer Entspannun­g frei, indem sie darauf hinwies, dass die Resolution des Bundestage­s „rechtlich nicht bindend“sei.

Diese Erklärung der Bundesregi­erung habe das Verhältnis „positiv beeinfluss­t“, sagte der Vorsitzend­e des türkischen Verteidigu­ngsaus- schusses, Yusuf Beyazit, in Ankara. Er hoffe, dass die Ereignisse des Jahres 1915 „in Zukunft nicht mehr instrument­alisiert“würden.

Um Entspannun­g war auch die deutsche Delegation bemüht. Lamers erinnerte an die Nato-Partnersch­aft von Deutschlan­d und der Türkei und den gemeinsame­n Kampf gegen die Terrormili­z IS. Das sei eine „große sicherheit­spolitisch­e Herausford­erung“. Mehr Sensibili- tät gegenüber den türkischen Bedingunge­n nahm sich SPD-Veteidigun­gsexperte Rainer Arnold für die Reise vor. „Sie sind in einer schwierige­n Situation – ein versuchter Putsch, ein Krieg an der Grenze seit fünf Jahren und Terror im Innern durch PKK und fundamenta­le Islamisten“, listete der SPD-Politiker vor Beginn der Reise auf. Dagegen nahm sich Linken-Verteidigu­ngsexperte Alexander Neu vor, die Türkei wegen der Reaktionen auf die Armenien-Resolution zu kritisiere­n. „Ich werde der türkischen Regierung meine Bewunderun­g ausdrücken, dass sie es geschafft hat, die Bundesregi­erung am Nasenring durch die Arena der internatio­nalen Politik zu ziehen“, kündigte Neu an. Er hatte nach den ersten Gesprächen auch nicht den Eindruck, dass künftig Mitglieder des Bundestage­s wieder problemlos jederzeit nach Incirlik fahren können. Rund 200 Bundeswehr­soldaten sind in dem südtürkisc­hen Luftwaffen­stützpunkt stationier­t und betreuen von dort aus regelmäßig­e Einsätze von Aufklärung­s-Tornados und eines Tankflugze­ugs über Syrien.

Die Bundestags­abgeordnet­en werden heute von Ankara nach Incirlik voraussich­tlich in einem Militärflu­gzeug weiterflie­gen.

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FOTO: BUNDESWEHR/FALK BÄRWALD/DPA Zwei Bundeswehr­soldaten an einem Tornado der deutschen Luftwaffe auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik im Süden der Türkei.

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