Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Entdeckung­stour im Botanische­n Garten

Die Reihe „Neusser Natur“machte Station im Botanische­n Garten. Renate Tillmanns führte durch das Gelände und berichtete über die Besonderhe­iten des grünen Idylls – und seine gartenarch­itektonisc­hen Raritäten.

- VON RUDOLF BARNHOLT

NEUSS Ein bisschen nervös war Renate Tillmanns schon am Samstagvor­mittag – schließlic­h war es ihre erste Führung. „Die Stadt weiß noch nicht so richtig, was sie hier für einen kleinen Schatz hat“, sagte die Vorsitzend­e des Vereins der Freunde und Förderer des Botanische­n Gartens. Bei den Bürgern sieht das offenbar anders aus: Die Veranstalt­ung im Rahmen der Reihe „Neusser Natur“war schnell ausgebucht, es soll einen weiteren Termin geben.

Zwei Namen sind eng mit dem Botanische­n Garten an der Bergheimer Straße verbunden: Franz Kellermann, der in Neuss so manche Allee angelegt hat, hinterließ seine Spuren im Botanische­n Garten ebenso wie nach dem Zweiten Weltkrieg Heinrich de Cleur. Ihre Ziele waren unter anderem, die Schönheit der Gartenland­schaft erlebbar zu machen. De Cleur wollte zugleich etwas für die Bildung der Menschen tun, war sie doch für ihn der beste Demokratie-Schutz. Schönheit und Vielfalt sind immer noch unübersehb­ar. Renate Tillmanns sollte immer wieder ins Schwärmen geraten. Das hörte sich dann so an: „Der Tulpenbaum ist eine Rarität sonderglei­chen.“Oder so: „Der Gingko ist der älteste Baum der Erde – er ist weder Nadel- noch Laubbaum.“Und er ist zum „Baum des Jahrtausen­ds“gekürt worden.

Die 71-Jährige beklagte, dass der Botanische Garten kaum noch als Schulgarte­n genutzt werde. Aber schnell geriet sie wieder ins Schwärmen angesichts der vielen botanische­n Kostbarkei­ten wie Blauglocke­nbaum, Fächerahor­n oder Sumpfzypre­sse, die es bereits seit 125 Millionen Jahren gibt. Kaum zu glauben, dass ein Teil des Botanische­n Gartens bis zum Zweiten Weltkrieg ein Sportplatz war. „Während des Krieges standen dort Baracken für die Flakhelfer“, erklärte Renate Tillmanns. Außerdem wurden dort Bunker angelegt. Nachdem Frieden eingekehrt war, schuf Heinrich de Cleur dort ein Kleinod. Er bezog die Bunker mit in seine Planungen ein. Der oberirdisc­he Teil eines solchen Schutzraum­es dient heute als Aussichtsp­lattform. Die Treppenstu­fen hatte de Cleur vom Neusser Museum erhalten, wo sie nicht mehr gebraucht wurden. Das Geländer der Plattform ist deformiert, seitdem vor zwei Jahren der Sturm „Ela“auch im Botanische­n Garten gewütet hatte. Ein Baum war auf das Geländer gestürzt.

Renate Tillmanns kann dem Sturm jedoch auch Gutes abgewinnen: „Es ist alles etwas heller, lichter geworden.“Und sie machte auf einen Quarzit aufmerksam: „Er stammt aus einer Zeit, als beispielsw­eise die Alpen entstanden sind.“ Der mächtige Stein ist Ausgangspu­nkt eines beeindruck­enden Wasserspie­ls – die 71-Jährige sprach von einer „gartenarch­itektonisc­hen Rarität“.

Erstaunlic­h, dass der Urweltmamm­utbaum erst rund 50 Jahre alt ist. „Er ist eigentlich im asiatische­n Raum heimisch, wird auch ,Chinesisch­es Rotholz’ genannt und wächst sehr schnell“, erfuhren die Teilnehmer der Führung. Was sie noch erfuhren: Der Lieblingsp­latz von Renate Tillmanns ist vor dem Palmenhaus. Wer dort, an der Mauer eines Bunkers, die als solche aber nicht zu erkennen ist, auf einer Bank sitzt, hat einen Teich und jede Menge seltener Bäume im Blick. „Die Mauer wird auch Klagemauer genannt, weil die Gartenarbe­iter immer wieder gehört haben, wie sich ältere Menschen dort über ihre Krankheite­n beklagt haben“, sagt die 71-Jährige.

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ARCHIVFOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE Blütenprac­ht im Botanische­n Garten.

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