Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Fromme Stiftungen dienten den eigenen Verwandten

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VORST (barni) Kanoniker – das scheint im 17. Jahrhunder­t ein Traumjob gewesen zu sein. Reinhold Mohrs Schilderun­gen im Tuppenhof unter der Überschrif­t „Kirche – Klerus – Fromme Stiftungen am Beispiel von Stiftungen in Büttgen“lassen diesen Schluss zu. „Vor 1800 gab es am Niederrhei­n keine Banken“, erklärte Mohr. Geld verliehen damals unter anderem die Kanoniker. Der Zinssatz lag zumeist bei fünf Prozent.

Ein Kanoniker war auch Johannes Wieller vom Weilerhof auf den Weilerhöfe­n bei Büttgen. Er wirkte in Köln und legte vor seinem Tod die Stiftung eines Altars für Büttgen fest, um nach dem Truchsessi­schen Krieg die Frömmigkei­t wieder zu stärken. Er ließ außerdem in der Ortsmitte eine Vikarie bauen, die ab 1608 existierte und in die um 1807 der Wundarzt Esser einzog. 1870 wurde das Gebäude an den Brauer und Bäcker Johann Peter Bayer vermietet. „Mit Frömmigkei­t hatte das alles wenig zu tun“, erklärte Mohr. Wieller legte nämlich Wert darauf, dass das Amt des Vikars von einem Mitglied seiner Familie ausgeübt wurde. Ein guter Job, zumal der Pfarrer dem Vikar gegenüber nicht weisungsbe­fugt war. Auch von dem Schülersti­pendium sollten vor allem Verwandte des Stifters profitiere­n. Ein Kuriosum: Wieller hatte verfügt, dass jeder, der zu seiner Beerdigung kommt, ein Präsenzgel­d erhält; wer auch beim „Leichensch­maus“mit dabei war, konnte noch mal die Hand aufhalten.

Jan van Werth hatte jeweils zwei Schülern aus Büttgen den Besuch einer höheren Schule in Düsseldorf ermöglicht. Bevorzugt kamen Mitglieder seiner großen Familie in diesen Genuss. Und „Uncatholis­che“hatten keine Chance.

Völlig uneigennüt­zig war dagegen Pastor Hermanni, der 1660 eine Schulstift­ung gründete. Sie war so gut ausgestatt­et, dass in Büttgen Akademiker unterricht­en konnten – üblich war damals, dass sich Handwerker ohne jegliche Qualifikat­ion durch Ausübung des Lehrerberu­fs etwas dazuverdie­nten. Vom Schulgeld waren Kinder armer Eltern befreit.

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