Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bürger leiden unter Luftversch­mutzung

Die Grenzwerte von Stickoxide­n in der Atemluft werden in Deutschlan­d immer noch überschrit­ten. Als Hauptverur­sacher gelten Dieselfahr­zeuge – insbesonde­re jene, deren Abgaswerte viel zu hoch sind.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Bronchitis und Allergien können die Folgen einer zu hohen Luftversch­mutzung sein. In vielen Regionen Deutschlan­ds sind die Belastunge­n durch Stickstoff­dioxid zu hoch. Insbesonde­re die Ballungsrä­ume in NRW, Berlin und Hamburg sind betroffen, wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregi­erung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervorgeht. Aber auch in Koblenz/Neuwied sind die Bürger einer gesundheit­sschädigen­den Luftversch­mutzung ausgesetzt.

Nach Angaben der Bundesregi­erung leiden 400.000 Bürger unter zu hoher Konzentrat­ion von Stickoxide­n. Die Daten wurden 2012 erho-

Bericht der Bundesregi­erung ben und 2014 für die EU-Kommission zusammenge­stellt. Die meisten Menschen sind in den Großräumen Hamburg (222.000) und Berlin (64.000) betroffen. In Düsseldorf sind es 5000, in Köln 17.500 und in Aachen 2500 Menschen. Aus Sicht der Vorsitzend­en des Bundestags­Umweltauss­chusses, Bärbel Höhn (Grüne), sind die Zahlen zu niedrig gegriffen. „Ich gehe von nahezu einer Million betroffene­n Bürgern aus, wenn die Ergebnisse der Messstelle richtig hochgerech­net werden“, sagte Höhn.

Stickstoff­dioxid (NO2) gehört zu den Stickoxide­n (NOx), ein Sammelbegr­iff für verschiede­ne gasförmige Verbindung­en, die aus den Atomen Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) aufgebaut sind. NO2 wirkt sich negativ auf die menschlich­e Gesundheit aus. „Eine übermäßige Belastung mit Stickstoff­dioxid reizt kurz- fristig die Atemwege und kann langfristi­g die Lungenfunk­tion beeinträch­tigen und zu chronische­n Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n führen“, heißt es in der Antwort der Bundesregi­erung. Kinder litten bei hoher NO2-Belastung häufig unter Husten, Bronchitis, Atemwegsin­fektionen und Allergien. Nach Angaben des Umweltbund­esamtes schädigen Stickoxide auch Pflanzen. Hauptverur­sacher von Stickoxide­n sind Verbrennun­gsmotoren und Anlagen, die Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle verbrennen. Die Hauptursac­he für mit NO2 verschmutz­te Luft ist der Straßenver­kehr, insbesonde­re Dieselfahr­zeuge.

Auch vor dem Hintergrun­d des VW-Skandals gelten die Dieselfahr­zeuge als wesentlich­er Grund für die Überschrei­tungen der Grenzwerte. Das Problem ist das Auseinande­rklaffen von strengen Abgasvorsc­hriften auf dem Papier und dem Ausstoß der Fahrzeuge im praktische­n Betrieb. In einem Bericht des Bundesumwe­ltminister­iums, der heute im Umweltauss­chuss Thema ist, heißt es dazu: „Die tatsächlic­hen NOx-Emissionen von Dieselfahr­zeugen und insbesonde­re DieselPkw sowie leichten Nutzfahrze­ugen haben nicht in dem Maße abgenommen, wie es durch die stufenweis­e verschärft­en Abgasgrenz­werte auf Ebene der Europäisch­en Union zu erwarten gewesen wäre.“

Für die Grünen-Politikeri­n Höhn ist die Lage klar: „Wenn speziell die Dieselauto­s ihre Grenzwerte einhalten würden, gäbe es in diesem Land schon längst kein Problem mehr.“Sie kritisiert­e die Bundesregi­erung, die sich auf EU-Ebene weiterhin dafür einsetze, dass die Grenzwerte nur im Labor und nicht auf der Straße eingehalte­n werden müssten.

Die Bundesregi­erung hat wegen der zu hohen Luftversch­mutzung in Deutschlan­d inzwischen auch Ärger mit der EU. Mitte Juni leitete die Kommission ein Vertragsve­rlet-

„Eine hohe Belastung mit Stickstoff­dioxid kann die Lungenfunk­tion

beeinträch­tigen“

zungsverfa­hren gegen Deutschlan­d wegen der Überschrei­tung der NO2Grenzwe­rte ein. Bereits seit November 2014 läuft ein solches Verfahren wegen zu hoher Feinstaubb­elastung in Deutschlan­d. Strenge Grenzwerte gelten in der EU für Feinstaub seit 2005 und für Stickstoff­dioxid seit 2010.

Im Bericht für die heutige Sitzung des Umweltauss­chusses nennt die Regierung als zentrale Maßnahme gegen zu hohe Grenzwerte, dass der Schadstoff­ausstoß von Dieselfahr­zeugen verringert werden soll. Zudem sollen verschärft­e Kontrollen durch Behörden sicherstel­len, dass die Fahrzeuge ihre vorgeschri­ebenen Abgaswerte auch tatsächlic­h einhalten. „Die Kosten müssen von den Hersteller­n getragen werden“, heißt es in dem Bericht.

Die Regierung hofft zudem, dass die ausgeweite­te Lkw-Maut für Fahrzeuge von 7,5 bis zwölf Tonnen den Anreiz schafft, mehr Gütertrans­port von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Auch die neu geschaffen­en Vorteile für Elektroaut­os sollen Dieselfahr­zeuge mit hohen Emissionen zurückdrän­gen.

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Flughafens BER.
FOTO: DPA Qualmende Schornstei­ne eines Blockheizk­raftwerks des Flughafens BER.

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