Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Theater im Innenraum eines Taxis
Der Iraner Amir Reza Koohestani inszeniert in Oberhausen „Taxigeschichten“.
OBERHAUSEN Zwei oder mehr Menschen im Inneren eines Automobils – das ist eine interessante Kommunikationssituation: Man ist für die Dauer der Fahrt zu intimer Nähe verdammt, nahezu unentrinnbar aufeinander geworfen. Besonders spannend wird es im Taxi, wo der Fahrgast auf den zumeist fremden Fahrer trifft. Gespräche changieren da zwischen professionellem Schweigen, vorsichtigem Beschnuppern und überraschend offener Beichte. Der Film-Regisseur Jim Jarmusch hat ihr Potenzial erkannt und den Kult-Film „Night On Earth“fast nur nachts im Inneren von Taxis spielen lassen. Der iranische Regisseur Jafar Panahi hat vor kurzem sein Berufsverbot kreativ umgangen und „Taxi Teheran“heimlich mit einer Kamera am Armaturenbrett gefilmt. Einen filmischen Zugriff hat auch der iranische Regisseur Amir Reza Koohestani für Naser Ghiasis „Taxigeschichten“am Theater Oberhausen gewählt.
Schriftsteller Naser Ghiasi hat 14 Jahre in Berlin als Taxifahrer gear- beitet und hat seine Erlebnisse in einem Blog festgehalten, der im Iran erfolgreich als Buch veröffentlich wurde. Auf seiner Rückbank nehmen eifersüchtige Prostituierte Platz, Paare in Kurzzeit-Affären oder ein durchgeknallter Ex-Knacki, der dem Fahrer nach dem Leben trachtet, weil er für sein AraberFeindbild herhalten muss.
Wie der Fahrer und seine Gäste sind auch Zuschauer und Schauspieler in Oberhausen auf engstem Raum zusammengepfercht und sitzen auf der Bühne hinter geschlossenem Brandschutzvorgang. Dort ist wie im Filmstudio eine Greenbox aufgebaut, vor der nebeneinander Beifahrersitz, Rückbank und Fahrersitz mit Kamera-Equipment aufgereiht sind. Die Darsteller spielen darin wegen eines etwas albernen Regie-Gags ohne Hose, denn für das Ergebnis ihres Spiels ist ihre untere Körperhälfte belanglos: Auf das Bild der Breitwand-Leinwand über der Greenbox sind sie so montiert, dass sie plötzlich wirklich Taxi zu fahren scheinen – und zwar durch Berlin.
Der Zuschauer schaut bald nur noch nach oben, weil das blendend aufgelegte Ensemble mit kleinen Gesten und verstohlenen Blicken für die Kamera spielt, die alles vergrößert. Die Rolle des Fahrer Naser ist Jürgen Sarkiss wie auf den Leib geschrieben. Mit Lakonie, feiner Selbstironie und seiner überaus angenehmen Stimme führt er durch absurde, berührende und gefährliche Situationen, die zwar nicht die exemplarische oder allegorische Kraft von Jarmuschs oder Panahis Geschichten haben, aber doch viel über das Leben in diesem Land erzählen. Termine und Karten unter Telefon: 0208/8578 184