Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Belgier schlucken Briten

Die Inbev-Gruppe übernimmt den SAB-Miller-Konzern. Der neue Gigant wird bald jedes dritte Bier auf der Welt brauen. Die in Deutschlan­d bekannten Marken Beck’s, Budweiser und Pilsner Urquell werden aber bleiben.

- VON LUTZ KÜPPERS UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Harter Preiskampf, sinkender Konsum. Der Biermarkt ist seit rund 20 Jahren in der Krise. Den Bierbrauer­n bleiben nur zwei Überlebens­strategien: Entweder sie behaupten sich als Nachbarsch­aftsmarke mit wenigen, dafür aber sehr treuen Fans. Oder sie schließen sich zu gigantisch­en Konzernen zusammen, die Märkte beherrsche­n und Lieferante­n Preise diktieren können. So entstand der jetzt schon weltgrößte Bierkonzer­n AnheuserBu­sch Inbev. Und jetzt schlucken die Belgier für 92 Milliarden Euro auch noch die zweitgrößt­e Brauerei der Welt: den britischen SAB-MillerKonz­ern. Damit kommt bald jedes dritte Bier auf der Welt aus den Kesseln ein und derselben Firma.

„Für die Verbrauche­r in Deutschlan­d wird sich nicht viel ändern“, ordnete gestern Michael Hollmann die neue Marktsensa­tion ein. Der Vizepräsid­ent des Deutschen Brauer-Bundes kennt das große und das kleine ABC des Bierbrauen­s: Von 2001 bis 2004 war Hollmann Chef des damals größten deutschen Getränkeko­nzerns Brau und Brunnen. Seit 2005 führt er als Inhaber mit der Korschenbr­oicher Brauerei Bolten eine Nischenmar­ke. „Was die in Deutschlan­d als Marken haben, werden die halten – und auch die Preise ändern sich nicht. SAB ist hier ja nicht so groß.“Zum SABKonzern gehören zum Beispiel die Marken Foster’s und Pilsner Urquell. Inbev ist hierzuland­e vor allem für Beck’s und Budweiser bekannt.

Zu erwarten ist, dass der neue Konzern nun weltweit den Rotstift ansetzt und wohl auch Stellen streicht. Das machen nicht nur Bier-

(Auswahl)

Löwenbräu

Deutschlan­d

Diebels

Deutschlan­d

Budweiser

USA brauer so: Wenn aus zwei Konzernen einer wird, braucht der neue Riese zum Beispiel nur noch eine Verwaltung und einen Vertrieb. „Das war auch 2008 schon so, als die InBev-Gruppe den AnheuserBu­sch-Konzern geschluckt hat“, erinnert sich Hollmann.

In Issum könnte die dort gebraute Altbiermar­ke Diebels betroffen sein, die zur Inbev-Gruppe gehört. Sie scheint ihre besten Zeiten hinter sich zu haben. Wo früher 1,7 Millionen Hektoliter im Jahr aus den Kes-

Becks

Deutschlan­d Franziskan­er Deutschlan­d

Pilsner Urquell

Tschechien

Miller

USA seln flossen, sollen es heute nur noch 350000 Liter pro Jahr sein. In der Fachpresse wird schon länger über einen Verkauf von Diebels spekuliert. Ein Inbev-Sprecher erklärte aber auf Nachfrage, dass „an den Gerüchten nichts dran“sei. In anderen Erdteilen, wo der neue Gigant es auf 70 bis 80 Prozent Marktantei­l bringt, werden ihn die Kartellbeh­örden sogar zu Verkäufen zwingen. „Ich gehe davon aus, dass das in Asien, Nord- und Südamerika so kommt“, meint Hollman.

Foster‘s

Australien

Tyskie

Polen

Grolsch

Niederland­e

Inbev ringt schon länger um die Übernahme von SAB und hat jetzt das Angebot nochmals aufgestock­t: Inbev will 44 Pfund je Aktie in bar an den Großteil der SAB-Aktionäre zahlen – 50 Prozent mehr als zu Beginn der Übernahmes­chlacht Mitte September. Gestern teilten beide Unternehme­n mit, sich auf grundsätzl­iche Punkte für den Zusammensc­hluss geeinigt zu haben. Heißt im Klartext: Nur die Kartellbeh­örden könnten die Fusion noch stoppen. Die EU-Kommission woll- te das Thema gestern zunächst nicht kommentier­en. Aber selbst wenn sie Auflagen wie etwa den Verkauf von Marken vorschreib­t: An der Fusion als solcher, die zu den größten in der weltweiten Wirtschaft­sgeschicht­e gehört, wird das wohl nichts mehr ändern.

Dafür ist der Druck in der Branche auch viel zu groß. Beispiel Deutschlan­d: 1980 tranken die Deutschen noch 146 Liter Bier pro Kopf, im vergangene­n Jahr waren es laut Statistisc­hem Bundesamt nur noch 106 Liter. Während die Verkaufspr­eise inflations­bereinigt seit Jahren sinken, stiegen allein die Energiekos­ten von 2010 bis 2011 nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes um 43 Prozent und der Malz-Preis um 53 Prozent. In anderen Ländern ist die Entwicklun­g weniger dramatisch, zeigt aber in dieselbe Richtung.

Die Branche reagiert mit forcierter Konsolidie­rung. In Frankreich und in Italien teilen sich die drei größten Brauereien schon je 70 Prozent Marktantei­l. In Deutschlan­d kommen selbst die fünf größten noch kaum über 40 Prozent. Was für den Verbrauche­r gut ist: Mit Preisen von zehn bis zwölf Euro pro Kasten ist Premiumbie­r fast nirgends in Europa günstiger als in Deutschlan­d.

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