Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aufwind für Angstmache­r in der Schweiz

Die rechtskons­ervative SVP schlachtet im Wahlkampf die Flüchtling­skrise gnadenlos aus.

- VON JAN DIRK HERBERMANN

BERN Christoph Blocher (74) will es noch einmal wissen: Seine Schweizeri­sche Volksparte­i (SVP), schon jetzt stärkste politische Kraft im Land, versucht ihre Position weiter auszubauen. Am Sonntag ist wieder Urnengang für den Nationalra­t. 27 Prozent erhielt die SVP 2011.

In ihrer Kampagne 2015 setzen die Nationalko­nservative­n und Europafein­dlichen konsequent auf das Megathema: die Flüchtling­skrise. Wie keine andere Partei der Schweiz schlachtet die SVP die Not und das Chaos rund um die Migrations­welle aus. Die Parteiführ­er warnen vor „maßloser Zuwanderun­g“, die zu „Gewalt und Kriminalit­ät“im Alltag führe. Im ganzen Land prangen Plakate mit Sprüchen wie diesem: „Die SVP ist die einzige Partei, die garantiert, dass kriminelle Ausländer ausgeschaf­ft werden.“Simple Parolen sind es, die Blocher, Unternehme­r und Politiker, bei seinen Auftritten immer wieder zum Besten gibt.

Wie neulich in Brig im Kanton Wallis, nahe der Grenze zu Italien. Als Blocher auf die Bühne tritt, warten die Besucher der Simplonhal­le gespannt auf die Abrechnung mit dem „Asylchaos“. Zuerst höhnt der Milliardär aus Zürich über „die Frau Merkel“und zitiert ihren Spruch: „Wir schaffen das“. Natürlich schafften es die „Dütschen“nicht, schnarrt Blocher. Stattdesse­n lobt er die Asyl-Politik der Ungarn: Pre- mier Viktor Orbán sei der Einzige, der das europäisch­e Dublin-Asylabkomm­en ernst nehme. Danach schwadroni­ert Blocher über „Schwarze“, den Drogenhand­el und „Wirtschaft­sflüchtlin­ge“: „Es gibt zu viele in der Schweiz. Die können nicht bleiben. Da wollen wir konsequent sein. Sonst gibt es eine Lawine“, sagt Blocher.

Von dieser Lawine ist bis dato aber nichts zu sehen. Bis zu 80 Asylsuchen­de erreichten Mitte September pro Tag den Kanton Wallis. An einem Tag kamen laut der „Neuen Zürcher Zeitung“sogar mehr Journalist­en als Flüchtling­e ins Land. Lediglich 30.000 Asylbewerb­er erwartet Bundespräs­identin Simonetta Sommaruga von den Sozialde- mokraten für das Jahr 2015. Die große Krise trifft die Eidgenosse­nschaft kaum. „Wenn man sich andere europäisch­e Länder anschaut, dann kommen wir glimpflich davon“, ist aus der Regierung zu hören.

Und falls doch mehr kommen, sei man vorbereite­t. 50.000 Menschen könnten kurzfristi­g in leerstehen­den Zivilschut­zanlagen einquartie­rt werden. „Die Situation wäre chaotisch“, sagt Verteidigu­ngsministe­r Ueli Maurer (SVP): „Ein Dach über dem Kopf und eine warme Suppe könnten wir aber Zehntausen­den bieten.“Das Land ist von diesen Zuständen noch weit entfernt. Glaubt man Christoph Blocher aber, dann überrennen die Fremden die Schweiz schon.

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