Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Ich war als Baby halbseitig gelähmt“
Nach 40 Jahren im Showbusiness hat der singende Komiker seine Autobiografie „Mein Gott, Walther“veröffentlicht. Ein Gespräch über die Jugend in einem Schlafsaal, eine schwere Geburt und das Liederschreiben auf Reisen.
DÜSSELDORF Im Gegensatz zu den Menschen, die schon mit 21 Jahren meinen, ihre Autobiografie vorlegen zu müssen, hat sich Mike Krüger Zeit gelassen. Mit 63 Jahren hat er gerade „Mein Gott, Walther“veröffentlicht. Erst sein zweites Buch – 1988 hatte er ein nicht so wirklich beachtetes Golflexikon vorgelegt. Entsprechend ist er in Redelaune.
Sie waren quasi immer auf der Durchreise. Schon bei Ihrer Geburt. Weil Sie zwei Monate zu früh waren, kamen Sie nicht in Hamburg, sondern in Ulm zur Welt.
MIKE KRÜGER Meine Eltern waren auf Geschäftsreise und mit dem Auto auf dem Weg zurück nach Hamburg. Es soll extrem chaotisch gewesen sein. Ein großes Glück war, dass ich mich in Ulm entschieden hatte, auf die Welt zu kommen. Weil es dort eine für die Zeit sehr gut ausgestattete Kinderklinik gab. Ich war anfangs halbseitig gelähmt und lag ein halbes Jahr im Brutkasten, bevor ich nach Hamburg durfte. Der Professor hat mir das Leben gerettet. Überall anders hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft.
Als die Leistungen in der Schule nachließen, hat Ihr Vater Sie mit zehn aufs Internat nach Büsum geschickt. Vermutlich waren Sie nicht sehr begeistert.
KRÜGER Da fühlte ich mich wie weggesperrt. Es war keines dieser Nobelinternate wie bei „Hanni & Nanni“. Wir haben mit 42 Jungen in einem Saal geschlafen, und jeder hatte eine kleine Arbeitsecke für sich in einem Sechs-Mann-Zimmer. Ich war der Kleinste und hatte das Problem, in der Hierarchie ganz unten zu stehen. Deshalb musste ich aufpassen, einigermaßen heil durch den Tag zu kommen. Pubertierende Jungs lassen die Gewalt gerne mal an Schwächeren aus.
Haben Lehrer Sie auch geschlagen?
KRÜGER Ja, sie durften auch schlagen. Wenn es Randale im Schlafsaal gab, kamen sie hoch, und dann gab es was mit dem Rohrstock. Die hatten keine Hemmungen und waren für mich eine fast genauso große Gefahr wie die älteren
Mitschüler. Auf diese Zeit hätte ich gerne verzichtet.
Haben Sie sich nicht einsam gefühlt?
KRÜGER Sehr. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Man schließt sich diesem aggressiven Tun an oder versucht, es mit Humor zu überstehen. Diesen Weg bin ich gegangen. Zum Glück wurde ich schnell sehr groß und deshalb weniger verprügelt. Wenn man dann noch alle zum Lachen bringt, hat man plötzlich viele Freunde.
War das der Beginn Ihrer Humorbildung?
KRÜGER Auf jeden Fall habe ich gemerkt, dass man mit Humor gut ankommt und Freunde gewinnen kann.
Ihren ersten großen Hit „Mein Gott, Walther“haben sie ebenfalls unterwegs geschrieben, nämlich im Urlaub an einem See in Garmisch-Partenkirchen. Da waren Sie Schüler.
KRÜGER Wenn ich es damals schon rausgebracht hätte, 1966, hätte es vermutlich kei- nen interessiert. Aber 1975 war das anders. Da hat es den Zeitgeist getroffen.
Wie war der?
KRÜGER Die 68er waren gerade vorbei, die Jungs fingen an, sich lange Haare wachsen zu lassen, die Leute machten, was sie wollten. Und dann entstand eine Comedyszene in Berlin mit Ulrich Roski und Schobert & Black, das waren die großen Comedy-Helden, die auch Lieder sangen. Und dann kam jemand aus Hamburg, der ein völlig beklopptes Lied sang, dabei ein komisches T-Shirt trug und auf einer billigen Gitarre spielte. Jeder, der drei Griffe konnte, konnte ein
Lied vortragen.
Sind Ihre Lieder unterwegs entstanden?
KRÜGER Ich hatte für lange Autofahrten auf jeden Fall immer ein Diktiergerät dabei. „Nippel“ist zum Beispiel entstanden, als ich mir an einer Würstchenbude an der Autobahnraststätte beim Öffnen eine dieser Senftuben über die Jacke gespritzt habe. Daraufhin schrieb ich ein Lied über Verpackungen, die nicht aufgehen.
Nach „Mein Gott, Walther“waren sie Jahrzehnte quasi nur unterwegs. War das Reisen für Sie ein notwendiges Übel oder ein großes Abenteuer?
KRÜGER Beides. Ich kann zum Glück in jeglicher Art von Bett schlafen, worum mich die Kollegen beneidet haben. Es hat mir aber immer was ausgemacht, extrem lange von meiner Familie weg zu sein, also von meiner Frau und meiner Tochter.
Warum sind Sie dann so viel getourt?
KRÜGER Wenn mir einer 1980 gesagt hätte, dass ich irgendwann mal 17Jahre lang mit die erfolgreichste Werbung mache und gut dotierte Werbeverträge haben würde, dann hätte ich mir allerdings ganz viele Tourneen gespart. Als selbständiger Familienvater im Showgeschäft, wo man nicht weiß, wie lange es weitergeht, war ich sehr getrieben und wollte alles mitnehmen, was kommt. Und wenn es dann durchgehend läuft, ist man in so einer Mühle drin. Aber meine Frau wusste ja, mit wem sie zusammenlebt. Sie war schließlich auch meine oberste Managerin.
Wann ist Schluss?
KRÜGER Ich werde mich bestimmt nicht offiziell verabschieden. Solche Abschiedsgeschichten finde ich fürchterlich, vor allem, wenn jemand dann nach zwei Jahren wieder zurückkehrt, weil die Fans ihm angeblich ganz viele Mails geschrieben haben. Deshalb werde ich kein Datum setzen.
Aus finanziellen Gründen müssten Sie aber nicht weitermachen, oder?
KRÜGER Da müsste ich meine Frau fragen. Vermutlich sagt sie dann: Musst du nicht mehr. DAS GESPRÄCH FÜHRTE SEBASTIAN DALKOWSKI.