Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Lob auf die Provinz

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Die im besten Fall sportliche, im ungünstigs­ten Fall riskante, neue berlinisch­großmäulig­e „Wir schaffen das“-Attitüde wird erfreulich­erweise von Stimmen aus der deutschen Provinz zurechtger­ückt. Deshalb gleich zu Anfang des Textes ein Hoch auf die deutsche Provinz. Was wäre unser Land für ein tönendes, tönernes Gebilde, machte allein Berlin die politisch-gesellscha­ftlichen Vorgaben, denen von Kiel bis München und von Flensburg bis Freilassin­g Gehorsam zu leisten ist.

Vor wenigen Tagen hat der Richter am Bundesverf­assungsger­icht, Peter M. Huber, in der „ FAZ“der Berliner Republik eine Gardinenpr­edigt gehalten. Hubers Hauptvorwü­rfe lauteten: Der Nationalst­aat sei in einer Sinnkrise, die Entwicklun­g des Bundesstaa­tes lasse Orientieru­ng vermissen, die Exekutive schwäche die Rechte von Parlament und einzelnen Volksvertr­etern. Auch häuften sich Fälle, in denen sich die Politik über Recht hinwegsetz­t. Zu ergänzen wäre: Wenn sich sogar die Bundeskanz­lerin, wie Anfang September geschehen, über europäisch­es Vertragsre­cht zur Einwande-

Was wäre Deutschlan­d ohne seine Provinzen, was ohne Karlsruhe, die Hauptstadt des Rechts, was ohne „Einspruch, Euer Ehren!“gegenüber der Kanzlerin?

rung hinwegsetz­t, ein voradventl­iches „Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit“anstimmt und ihre Kritiker im In- und Ausland ins moralische Abseits verweist – dann müsste es noch viel mehr „ Einspruch, Euer Ehren!“aus der deutschen Provinz geben wie jenen Mahnruf aus Karlsruhe, der Hauptstadt des Rechts. Nebenbei: Welch eine tiefe Weisheit steckt in der Entscheidu­ng, die obersten Bundesgeri­chte fern der

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