Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Einmal ein Ritter sein
Beim Mittelalterfest auf der Galopprennbahn reisten die Besucher in eine sehr lebendige Vergangenheit.
Ritter Manfredius von Württemberg setzt sich seinen bleischweren Helm auf den Kopf. Er kann sich kaum noch bewegen und durch die dünnen Schlitze auch nicht allzu viel erkennen. Ausgerechnet da fällt ihm der Handschuh vom Pferd. Ein paar Sekunden sitzt Ritter von Württemberg also da, schaut geradeaus nach vorne – weil er gar nicht anders kann – und überlegt, wie er nun seinen Handschuh wiederbekommt. Sein hübsches Pferd kaut dabei ein bisschen am Rasen herum; es stärkt sich wohl für die kommenden Prüfungen. Eine blonde Dame erkennt das Malheur des Ritters Manfredius, geht unter der Absperrung hindurch und reicht ihm den Handschuh. Es kann also weitergehen.
Mittelalterfest der Kulturfreunde Knittkuhl an der Grafenberger Rennbahn. Das bedeutet drehende Spanferkel über dem offenen Feuer, Wildschwein-Bratwurst im Brötchen, Lachsflammkuchen, Honigwein und sogar Altbier. Aber noch viel mehr bedeutet Mittelalterfest, dass sich hunderte Menschen verkleiden und wie in einer vergangenen Zeit leben. Sie schlafen ein Wochenende lang in einem Zelt, kleiden sich mittelalterlich, essen mittelalterliche Speisen, trinken mittelalterliche Getränke. Dazu kommen dann Besucher aus jeder Generation und lassen sich mitnehmen in diese vergangene Welt. Am Samstag waren rund 8000 Menschen beim Mittelalterfest an und auf der Galopprennbahn. Der verregnete und kühle Sonntag hingegen hat die Bilanz des Festes etwas getrübt.
Der erste Tag war völlig nach dem Geschmack der Mittelalterfreunde. Die Sonne brannte auf die Köpfe und die schweren und langärmligen Kostüme, so dass die Ritter ordentlich ins Schwitzen kamen. So wie Holger Gräf, der eigentlich Erutan von Knittkuhl heißt – oder umgekehrt. Beim großen Ritterturnier auf der Galopprennbahn sitzen Hunderte auf der kleineren der beiden Tribünen. Sie sehen, wie Ritter Manfredius von Württemberg mit der Lanze auf Burggraf Heinrich von Drachenfels zureitet und die Spitze mit lautem Krachen zerspringt.
Holger Gräf moderiert den Kampf, wie man heute sagen würde. Er kündigt die Prüfungen an, erklärt die Regeln und bittet zum Applaus, er ist der Herold. Seine Sprache hat er der Zeit angepasst und sagt Sätze wie: „Seid Ihr bereit, so reitet los.“Gräf ist Mitglied bei den Bergischen Lehnsrittern, die früher mal Düsseldorfer Lehnsritter hießen. Sie bestreiten gerne Kämpfe vor Publikum, trainieren oft und machen das alle seit Ewigkeiten, Manfredius von Württemberg etwa seit 38 Jahren.
Gräf betont, dass das alles echt sei, keine Show, keine angesägten Lanzen. Beim Kampf hört man es scheppern, wenn sich die Ritter mit Schwertern schlagen. Zum ersten Mal wird auch beim Kinderturnier der Lehnsritter geritten, natürlich unter Anleitung. Holger Gräf, der auch zum Veranstalter der Kulturfreunde Knittkuhl gehört, sagt: „Wir haben das maßstabsgerecht entschärft.“Das war auch notwendig.