Neue Westfälische - Höxtersche Kreiszeitung
Das Mammut vor der Haustür
Warburg vor 100 Jahren: Das älteste Exponat des Stadtmuseums wird bei Ausschachtarbeiten auf der Hüffert gefunden. Der Stoßzahn einer eiszeitlichen Mammut-dame.
Warburg. Ganz unten in der Vitrine: der mächtige Stoßzahn eines Urzeit-riesen. Gefunden im Warburger Stadtgebiet, auf der Hüffert in der Nähe des Krankenhauses. Vor 100 Jahren. Rund 1,80 Meter lang und mehr als 30 Kilo schwer. Der Stoßzahn des eiszeitlichen Mammuts gehöre zu den Schlüsselexponaten des Museums, sagt dessen Leiter, Alexander Schwerdtfegerklaus. Der paläontologische Fund war bei den Bauarbeiten für ein neues Krankenhaus in der Stadt an den Tag gebracht worden. „Viel ist nicht über das Ereignis des Fundes bekannt“, sagt der Museumsleiter und Stadtarchivar. Der Zeitung sei die entsprechende Meldung zunächst nur wenige Zeilen Wert gewesen.
Trotz der wirtschaftlich angespannten Lage zu Beginn der 1920er Jahre hatten sich die Warburger Stadtverordneten zu einem Neubau eines Krankenhauses außerhalb der Kernstadt durchgerungen. „Selbst die Hyperinflation brachte die Warburger Stadtväter nicht von ihrem Vorhaben ab“, blickt Schwerdtfeger-klaus in die Protokolle der Sitzungen und auf die Beschlüsse der Mandatsträger zu den Kreditaufnahmen. Zwischen 1924 und 1926 war nach einem Entwurf des Elberfelder Architekten Franz Vogt das St.-petrikrankenhaus im neubarocken Still errichtet worden. Heute steht als Teil des damaligen Gebäudes auf dem Gelände der Helios-klinik noch die ehemalige Kapelle.
Nachdem die entsprechenden Grundstücke auf der Hüffert von der Stadt aufgekauft und die Finanzierung gesichert war, hatten bereits im Sommer 1923 erste Arbeiten am neuen Standort begonnen. Bei Ausschachtungsarbeiten in den Monaten März und April des Jahres 1924 waren Bauarbeiter dann mit der Schaufel in viereinhalb Meter Tiefe auf ein tierisches Skelett gestoßen. „Der aufgefundene Stoßzahn ließ sicherlich sehr schnell eine Sensation vermuten“, bemerkt der Museumsleiter. „Es bestätigte sich, dass es sich bei den Überresten um die Knochen und einen Stoßzahn eines wahrscheinlich weiblichen Mammuts handelte.“Die Stadt habe „ungeachtet der ohnehin hohen Kosten für das Krankenhaus“einen Fachmann aus Münster hinzugezogen. Julius Andrée, der spätere Professor für Urgeschichte an der Uni, hatte zu dem Zeitpunkt eine Assistentenstelle am Geologischen Institut inne. Er schautesich in warburgan der fundstelle um. „Allerdings konnten keine weiteren Knochen oder Ähnliches geborgen werden“, sagt Schwerdtfegerklaus. Vom restlichen Skelett fehle heute jede Spur. Bis auf den Stoßzahn und ein kleineres Stück aus einem Oberschenkelknochen. Die beiden Stücke blieben in der Stadt „und waren schon immer als ein Schlüsselexponat für ein einzurichtendes Museum ins Auge gefasst worden“, sagt der Stadtarchivar. 1988 eröffnete das Museum im „Stern“, in dem der Stoßzahn dann seinen platz fand und bisheute bestaunt werden kann. „Zweifelsohne das älteste und eines der spektakulärsten Exponate“, macht Schwerdtfegerklaus aufmerksam.
Ein ganz eigener Bericht vom Mammut-fund in Warburg war Ende April vor 100 Jahren in der damaligen Kreiszeitung veröffentlicht worden. Der Boneburger Heimatdichter Arnold Junkmann hatte dem Ereignis ein Gedicht nachgeschoben und in Reimen auf den außergewöhnlichen archäologische Fund hingewiesen. Zehn jeweils vierzeilige Strophen. Angelehnt an die biblische Geschichte der Arche Noah. Denn eine wissenschaftliche Erklärung stand aus. „Junkmann hatte in loser Reihenfolge immer wieder Gedichte über aktuelle Vorgänge und Vorkommnisse in seiner Heimat verfasst“, ordnet der Stadtarchivar die Veröffentlichung ein.
Die bis zu sechs Tonnen schweren Mammuts waren vor etwa 10.000 Jahren ausgestorben. „Die vorerst letzte Eiszeit, das Pleistozän, war die insgesamt dritte, die das Warburger Land traf“, erklärt Schwerdtfeger-klaus in den Räumen der Ausstellung zur Vor- und Frühgeschichte im Erdgeschoss des Museums im „Stern“. Sie habe aber entscheidenden Einfluss auf die naturräumliche Gestalt der Region gehabt.
„Die Landschaft zwischen Weser und Diemel muss man sich als baumlose Tundra vorstellen“, beschreibt Schwerdtfeger-klaus. Die Menschen machten Jagd auf Mammut und Wollnashorn, sammelten Beeren, Nüsse und Wurzeln. Als typische Funde aus der Zeit nennt er Spitzen von Pfeilen und Speeren, geschliffene Steine zum schaben von fellen und Keile, um Holz zu spalten.
„Weltweit gingen die Durchschnittstemperaturen zurück.“Es hatten sich Eismassen gebildet, die von Skandinavien bis nach Norddeutschland reichten. „Die südlichsten Ausläufer erreichten Paderborn, nicht aber Warburg“, hält Schwerdtfegerklaus fest. Das heutige Stadtgebiet habe vor dem Eisrand gelegen. Der Stoßzahn sei im Lößlehm aufgefunden worden. Bei Löß handele es sich um Gesteinstaub, der sich über die Jahrtausende im Vorland des Eises abgelagert habe. „Der Löß in der Warburger Börde stammt vermutlich aus der letzten Kaltzeit, der Würmzeit, und hat damit ein Alter von etwa 15.000 Jahren.“Das gleiche Alter könne daher für den Mammut-stoßzahn angenommen werden.
Das außergewöhnliche Exponat im Warburger Museum: „Spannend“, sagt Schwerdtfeger-klaus. Zum einen aufgrund des Alters, zum anderen aber auch als Symbol für die Jäger- und Sammlerzeit der Menschheitsgeschichte. „Die Zeit bevor die Menschen sesshaft wurden“. Vor rund 7.000 Jahren.