Neue Westfälische - Bünder Tageblatt

Bahn beginnt mit der Grundsanie­rung des Netzes

Der Fahrgastve­rband Pro Bahn fordert auch bessere Nebenstrec­ken und zuverlässi­gere Züge

- Frank-thomas Wenzel

In der Nacht zu Dienstag ist das ehrgeizigs­te Projekt für eine bessere Bahn seit Jahrzehnte­n gestartet. Die Strecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim wird für fünf Monate komplett gesperrt, um sie buchstäbli­ch von Grund auf zu sanieren. 40 weitere stark befahrene Gleiskorri­dore sollen bis 2031 folgen.

Warum macht Frankfurt am Main den Anfang?

Die 70 Kilometer lange Strecke der Riedbahn bis Mannheim ist ein Nadelöhr für das deutsche Schienenne­tz und für den europaweit­en Gütertrans­port. Wenn es auf der Strecke klemmt, kann das zu Verspätung­en beinahe im gesamten Netz bis hinauf nach Hamburg führen. Begünstige­nd ist zudem, dass es zwei Ausweichst­recken gibt: Über Mainz und Worms sowie über Darmstadt und Heidelberg. Verkehrsmi­nister Volker Wissing (FDP) hat Baukosten von 1,3 Milliarden Euro eingeplant. Das entspricht rechnerisc­h 18 500 Euro pro Meter.

Was bedeutet die Generalsan­ierung für die Fahrgäste?

Für Fernreisen­de sollen sich die Fahrtzeite­n wegen der Umleitunge­n etwa um eine halbe Stunde verlängern. Auf den beiden Ausweichst­recken wird es reichlich eng, da dort nach wie vor auch der reguläre Bahnverkeh­r stattfinde­t. 150 Busse, die im regionalen Schienener­satzverkeh­r eingesetzt werden, sollen zur Entlastung­en der Gleise beitragen. Wobei es bei einer Generalpro­be Anfang des Jahres mit der Beförderun­g auf der Straße vielfach klemmte.

Wie geht es danach mit der Sanierung weiter?

Als nächstes Großprojek­t soll in gut einem Jahr die Strecke Berlin-hamburg drankommen. Dort plant die Bahn inzwischen mit einer Bauzeit nebst Vollsperru­ng von neun Monaten. Ursprüngli­ch waren nur sechs Monate geplant. Laut Wissing sind bisher für die Instandset­zung der Infrastruk­tur mehr als 27 Milliarden Euro eingeplant. „Und am Ende wird man dann noch mehr Geld brauchen“, sagte der Minister am Montag im Deutschlan­dfunk.

Wird das einen besseren Schienenve­rkehr bringen?

Lukas Iffländer, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Fahrgastve­rbands Pro Bahn, winkt ab:

„Trotz des riesigen Aufwands reicht die Generalsan­ierungen für 41 Korridore nicht, um eine wirklich leistungsf­ähige Bahn zu schaffen. Die Probleme liegen nicht nur beim Netz“, sagte er dem RND. Ein großes Problem ergebe sich aus dem Zustand des Fahrzeugbe­stands. „Verspätung­en entstehen in sehr vielen Fällen, weil technische Mängel die Züge lahmlegen. Vor den Wartungsha­llen stauen sich die Züge. Die Kapazitäte­n für die Wartung müssen dringend ausgebaut werden.“

Wie sieht es danach mit der Netzqualit­ät aus?

Seit Jahren seien mehr Fahrgäste und mehr Züge in einem „nicht wachsenden Netz“unterwegs, urteilt der Verkehrscl­ub VCD. Mit der Generalsan­ierung werde nur das sogenannte Grundstöru­ngsniveau auf hoch belasteten Strecken gesenkt, betonte Vcd-chefin Kerstin Haarmann. Sie fordert höhere Investitio­nen in „Bahnausbau, Digitalisi­erung und Elektrifiz­ierung“. Die ursprüngli­ch von der Bundesregi­erung versproche­nen 45 Milliarden Euro bis 2027 wären aus Haarmanns Sicht „ein guter Anfang“.

Wo muss denn noch gebaut werden?

„Zu der Sanierung hochbelast­eter Korridore muss auch der

Ausbau von Nebenstrec­ken und die Aktivierun­g stillgeleg­ter Strecken kommen“, sagte Iffländer. „Damit einerseits mehr Städte wieder an das Bahnnetz angeschlos­sen werden und anderersei­ts Umleitungs­strecken geschaffen werden.“Für eine verlässlic­he Bahn brauche es ein feinmaschi­geres und redundante­res Netz. Beispielsw­eise auf der Fernstreck­e zwischen Nürnberg und Passau gebe es keinerlei leistungsf­ähige Ausweichun­d Umleitungs­möglichkei­ten. Laut Ifo-institut ist das Schienenne­tz aktuell 15 000 Kilometer kleiner als vor 70 Jahren.

„Die Probleme liegen nicht nur beim Schienenne­tz.“

Lukas Iffländer, Fahrgastve­rband Pro Bahn

 ?? Foto: Arne Dedert/dpa ?? Monatelang­e Baustellen: 41 große Engstellen im Schienenne­tz will die Deutsche Bahn beheben.
Foto: Arne Dedert/dpa Monatelang­e Baustellen: 41 große Engstellen im Schienenne­tz will die Deutsche Bahn beheben.

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