Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld West
Rechterapper aus OWL
In der extremen Rechten spielt das Musikgenre mittlerweile eine große Rolle. Grund ist ein Label bekannter Szene-künstler. Darunter sind mehrere Personen mit Vergangenheit in Ostwestfalen-lippe.
Bielefeld. Martialisch, teils maskiert posiert Azatro erst vor dem Hermannsdenkmal, dann vordenexternsteinen. Er rappt für eines seiner Musikvideos in die Kamera, reimt von Migranten, „die Deutsche weiterhin behindert schlagen“. Und von der „Streitmacht NDS“.
NDS – das steht für „Neuer Deutscher Standard“, ein Musiklabel aus Ostdeutschland. Einer der Rapper unter dem Dach der Firma: Azatro, der laut eigenenangabenausowl stammt. Auch zwei weitere rechte Rapper des Labels haben Vergangenheit in Ostwestfalen-lippe.
Verfassungsschützern und Experten ist NDS ein fester Begriff. Denn die Plattenfirma ist für sie wichtiger Bestandteil der rechtsextremen Szene. LabelChef Proto, selbst Rapper, gilt als Rechtsextremist. Er gebe die ideologische Ausrichtung vor. Eine Distanzierung durch andere Label-rapper finde nicht statt.„vielmehrkanndurchdie Zusammenarbeit von einer ideologischen Übereinkunft ausgegangen werden“, so eine Sprecherin des Verfassungsschutzes.
Einer der Rapper-kollegen von Proto und Azatro ist Julian F., bekannt als „Makss Damage“. Der gebürtige Gütersloher ist seit Jahren ein musikalisches Aushängeschild der Neonazi-szene, gilt als Rechtsextremist und Teil der Partei „III. Weg“. Mehrfach ist er wegen seiner Texte vorbestraft. Mittlerweile tritt er oft unter dem Namen „MKD“auf und lebt in Ostdeutschland. Der Verfassungsschutz nennt ihn „Ns-rapper“.
Jan Raabe, Experte für Rechtsextremismus und Rechtsrock, berichtet: „Makss Damage war früher antisemitischer Stalinist. Er war der erste Musiker mit gewissem Einfluss und Bekanntheit, der bereits gerappt hat, als er sichdem Rechtsextremismus zugewandt hat.“Bei weiteren extrem rechten Rappern sei das anders gewesen.
Der dritte Ostwestfale im Bunde: Der Rapper „Skeptika“. Nach Recherchen dieser Redaktion stammt er aus dem
Raum Lippe, begann hier seine musikalische Karriere, zog jedoch später laut eigenen Angaben weg. Dieser Redaktion liegt ein Flyer eines Auftritts im Jahr 2021 in einem Jugendzentrum in Schlangen (Kreis Lippe) vor. Gemeinsam mit ihm auf der Bühne: Azatro. Beide waren damals noch kein Teil von NDS, veröffentlichten erst später Lieder unter dem Label. „Alle drei Rapper sind keine wirklich bedeutenden Künstler“, betont Raabe und ergänzt: „In der Rap-szene haben Makss Damage und Spektika aber schon eine gewisse Bekanntheit.“
Gegründet wurde das Label 2019, damals ordneten Verfassungsschützer es noch der „neurechten Szene“zu. Mittlerweile hat sich das Label auch klassischen Neonazis wie der Partei „III. Weg“und der rechtsextremen Kampfsportreihe „Kampf der Nibelungen“angenähert. RechtsrockExperte Raabe beobachtet den Wandel des Musiklabels schon lange. „Zur Gründung und
Hochzeit der ,Identitären Bewegung’machtensich die Protagonisten des Labels NDS große Hoffnung, mit ihren Texten junge Menschen für die extreme Rechte zu begeistern“, sagt er. Immerhin ist Rap eine der größten Jugendkulturen. „Damals war das auch Strategie, hat aber nicht geklappt. Die aktuellen rechten Rapper haben einfach rechte Einstellungen und Rap ist ihre Musik.“
Dennoch verzeichnet das Label Erfolge. Einzelne Singles der etwa zehn festen NDSKünstler schafften es in die Download-charts von itunes, Amazon und Co. Musikvideos erreichen bei Youtube regelmäßig Klickzahlen im sechsstelligen Bereich. Allerdings dulden nicht alle Anbieter den Inhalt: Immer wieder werden Songs oder Videos entfernt. Raabe hält die vermeintlichen Erfolge für wenig aussagekräftig. „Gerade bei den Download-charts lässt sich mit genauer Kalkulation einiges erreichen. Es ist nie klar, wie viele Downloads reichen,
um eine Chart-platzierung zu erreichen.“Ein besserer Gradmesser für den Erfolg von Musikern seien Auftritte. „Die stellen wir im Nds-umfeld aber kaum fest“, sagt er. In jüngerer Vergangenheit gehe die Zahl gen null. Vereinzelt gebe es Konzerte oder Liederabende. „Diese werden aber nicht öffentlich angekündigt und sind nur der rechtsextremen Szene zugängig“, sagt Raabe. Beispielsweise traten NDSMusiker 2023 bei Veranstaltungen der Neonazi-parteien „III. Weg“und „Die Heimat“(früher NPD) auf.
Mitte Februar veröffentlichte NDS einen neuen Song von insgesamt 13 Musikern. Der Nrw-verfassungsschutz sieht bei den Interpreten „teilweise rechtsextremistische Bezüge“. Unter den Künstlern: Makss Damage, Azatro, Skeptika.
Während Skeptika eine Anfrage unbeantwortet ließ, antwortete Azatro ausführlich auf eine schriftliche Anfrage. Er sieht die RechtsextremismusEinschätzung von Verfas
sungsschutz und Experten zu NDS zum Teil als willkürlich. Aussagen des Label-chefs, der den Behörden als Rechtsextremist bekannt ist (Azatro bestreitet solche Ausrichtungen), wonach die Künstler „auf Linie“seien, sieht er als Aussage über die „persönlichen, künstlerischen und geschäftlichen Ebenen“. Er selbst sehe sich nicht als Teil der rechtsextremistischen Szene. „Ichbin weder rassistisch, noch lehne ich die demokratische Grundordnungab. Ebenfalls lehne ich Gewalt in jeglicher Form ab.“
Für Azatro ist das Label „mehr als nur ein loser Zusammenschluss einzelner Künstler, die sich als Gemeinschaft mit ideologischen Ansichten sieht“. Es gebe Musiker, die „patriotisch sind“, aber auch solche, die sich „auf musikalischer Ebene radikaler ausdrücken“. Azatro: „Zusammengefasst sehen wir uns als Label ohne Denkblockaden.“Er beschreibt sich als „sehr traditionell, heimatliebend und konservativ“.