Neue Westfälische - Bielefelder Tageblatt - Bielefeld Ost
Winterfreuden zwischen Berg und Tiroler Meer
Umschlossen vom Rofan- und Karwendelgebirge bietet die Region Achensee Langläufern, Skifahrern, Wandernden und Ruhesuchenden eine spektakuläre Kulisse.
Ganz leise rieselt der Schnee und hüllt die Landschaft Zentimeter um Zentimeter mit einer dichten, weißen Schicht ein. Perfekt für unser Vorhaben, denn an diesem Tag wollen wir nicht auf die Loipe, sondern mit Schneeschuhenin die Natur. Nachdem der Achensee sich tags zuvor noch von seiner glänzenden Seite mit strahlendblauem Himmel zeigte, sorgen heute 15 Zentimeter Neuschnee und dicke Wolken für ein völlig verändertes Ambiente. So sind die verschneiten Gipfel von Karwendel und Rofangebirge nur zu erahnen.
Der Achensee liegt auf einer Höhe von rund 930 Metern, ist zehn Kilometer lang, bis zu 133 Meter tief und der größte See Tirols. Rund um das sogenannte Tiroler Meer, das auch in kalten Wintern nie komplett zufriert, gruppieren sich die fünf Orte Achenkirch, Maurach, Pertisau, Steinberg und Wiesing. Wir sind in Achenkirch. Das beschaulichedorf amnorduferdesachenseeshatgut 2.000 Einwohner, einen landwirtschaftlichen Kern und eine angenehme Infrastruktur für Touristen mit schönen Hotels, abwechslungsreichen Restaurants und einem direkt am See gelegenen Campingplatz.
Wir haben uns mit der Naturparkführerin Nina Feistmantl am Ufer des Sees verabredet. Noch sind wir die einzigen Wanderer und hinterlassen unsere Schneeschuhspuren auf der noch unberührten frischen Schneedecke. Die 27-Jährige kommt aus Innsbruck, wo sie an der Uni an einem Forschungsauftrag über die Population der Schneehühner arbeitet. Schneehühner, die oberhalb der Baumgrenze leben, gibt es auf unserer Tour zwar nicht, dafür lässt die engagierte Biologin uns auf der dreistündigen Wanderung durch den Naturpark Karwendel an ihrem Wissen über das Zusammenspiel von Flora und Fauna sehr unterhaltsam teilhaben. Aber erstmal stapfen wir nahezu lautlos am Rande eines leise gurgelnden Baches immer tiefer in den Wald. Bei ihren kleinen Biologiestunden fällt uns zuweilen auf, wowir inder Schule offensichtlich nicht so richtig aufgepassthaben. Aberunshat jaauch niemand so nachvollziehbar gezeigt, warum Gämsen sich so sicher auf steilsten Anstiegen verhalten. Nina hat Anschauungsmaterial dabei und führt vor, wie sich die Tiere mit ihren pelzigen Zehen an den Felsen festhalten können. „Ich bin unheimlich gerne in dernatur undgenieße solche Touren sehr,“erklärt sie, warum sie nichtnuranderuniarbeitenmöchte. Wir können das gut verstehenund spazierenvorbei aneinem rauschenden Wasserfall querfeldein wieder Richtung Achenkirch. Unterwegs sehen wir manchmal auch Schilder, die den Langläufern denweg weisen. Sie sind Teil eines ausgeklügelten Leitsystems, zu dem auch eine interaktive Karte mit detaillierten Streckenverläufen und tagesaktuell abrufbaren Wetter- und Infosdaten gehören.
Der Naturpark Karwendel ist das größte zusammenhängende Schutzgebiet der Nördlichen Kalkalpen und erstreckt sich bis nach Bayern. Er ist nicht nur landschaftlich ein Highlight, sondern auch ideales Trainingsgebiet. Denn die Karwendeltäler steigen leicht an und erhöhen selbst den Puls fitter Langläufer. Eingebettet in die schroffe Gipfelwelt zwischen Lamsenspitze und Sonnjoch rücktamendedestalsdie urige Gramaialm ins Blickfeld – eines der beliebtesten Ziele für Langläufer, das nach insgesamt sieben Kilometern und 390 Höhenmetern erreicht ist.
Insgesamt gibt es in der Region ein mehr als 230 Kilometer langes, gepflegtes Streckennetz für Skating und klassischen Stil in allen Schwierigkeitsgraden. Entspannt ist die Tour am verschneiten Ufer des Achensees bei Maurach, deutlich anspruchsvoller sind die Abschnitte in den Karwendeltälern. In Achenkirch sorgen drei Loipen für Abwechslung. Eine weitere führt aus dem Ort hinaus bis ins 300-Seelen-dorf Steinberg am Rofan.
Der Achensee hat mindestens drei gute Seiten: Am Westufer des Achensees liegt Pertisau, wo es ein eigens ausgewiesenes Übungsareal für Anfänger und sogar eine Hundeloipe gibt, auf der die Vierbeiner neben Herrchen und Frauchen durch den Schnee tollen dürfen. Überdies wird in der Region Wert auf Inklusion gelegt: Es gibt barrierefreie Hotels, Parkplätze für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, speziell ausgebildete Lehrer und Loipen für Rollstuhlfahrer in Pertisau, Maurach und Achenkirch. In Pertisau befindet sich auch die Hauptanlegestelle der Achenseeschifffahrt, die auch in den Wintermonaten unterwegs ist. Das 750-Einwohner-dorf ist schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Erholungsgebiet bekannt und der älteste Tourismusort der Region, schon Kaiser Maximilian fand in der Berglandschaft eines seiner bevorzugten Jagdreviere. Jetzt bringt die Karwendel-bergbahn Skifahrer in das nahe gelegene Skigebiet Zwölferkopf, das besonders familienfreundlich ist.
An der Südseite liegt Maurach auf einem sonnigen Hochplateau. Nicht nur die Lage ist einzigartig, hier startet auch die Rofan-seilbahn, deren Bergstation Ausgangspunkt für viele Wanderungen ist. Auf über 1.800 Höhenmetern liegt das Skigebiet im Rofan, wo es auch gespurte Langlaufrouten gibt. Direkt am Seeufer ist die hochmoderne Freizeitanlage Atoll Achensee nicht zu übersehen. Das Herzstück der insgesamt über 6.500 Quadratmeter großen Anlage ist das lichtdurchflutete Panorama-bad. Saunalandschaft mit Bergblick, Sportbecken, Erlebnisrutsche und Outdoor-pools sorgen auch bei schlechtem Wetter für Abwechslung. Wer sich für Volkskultur interessiert, besucht die Sankt Notburgakirche in Ebenunddas ihr gewidmete Museum, das Wissenswertes über das Leben der Schutzpatronin für Bauern, Mägde und Trachtenträger zeigt. Maurach ist auch Endstation der Achenseebahn. Die älteste Dampf-zahnradbahn der Welt schnaubt entlang ihrer malerischen Strecke von Jenbach im Inntal bis zum Achensee hinauf.
Infos unter www.achensee.com