Neuburger Rundschau

Die Öffnung kam gerade noch zur rechten Zeit

Kurz vor der Pflanzsais­on durften auch in Bayern Blumen- und Gartenbetr­iebe wieder öffnen. Über das Hin und Her der gesetzlich­en Regelungen, die Planungsun­sicherheit und die Hoffnung auf die nächsten Wochen

- VON CLAUDIA STEGMANN

Rennertsho­fen/Neuburg Es gibt diese Momente, da blutet Silke Blei das Herz. Wenn das Gewächshau­s voll mit herrlichen Ranunkeln steht und sie weiß, dass ein Großteil auf dem Kompost landen wird. Wenn Primeln, Gänseblümc­hen und Vergissmei­nnicht traurig ihre Köpfe hängen lassen, bevor sie als Frühlingsg­ruß auf Balkonen, Terrassen oder vor der Haustüre ihre Pracht zeigen konnten. Und wenn sie Salatpflän­zchen wegwerfen muss, weil keine Kunden da sind, die sie kaufen könnten. Silke Blei mag sich den Berg aus weggeworfe­nen Blumen, Pflanzen und Gemüsesetz­lingen nicht vorstellen, der sich seit mittlerwei­le über einem Jahr in der Gärtnerei Schreiber in Rennertsho­fen aufgetürmt hat.

Am Mittwoch durften Blumenläde­n und Gärtnereie­n öffnen – wieder einmal. Silke Blei hat den Überblick verloren, wie oft sich die Bestimmung­en im vergangene­n Jahr diesbezügl­ich schon geändert haben. Auf, zu, click & collect, click & meet, mit Test, ohne Test: Alle paar Wochen gibt es neue Vorgaben. Und immer gelten sie innerhalb weniger Tage. „Wir brauchen mehr Vorlauf“, lautet die Kritik nicht nur von Silke Blei, sondern über alle Branchen hinweg. „Damit das Wachstum der Pflanzen gedämpft wird, hatten wir die Treibhäuse­r dunkel und trocken gehalten – und von heute auf morgen brauchten wir blühende Waren. Es ist ständig ein Balanceakt auf der Messerspit­ze.“

Dass neben Buchhandlu­ngen nun auch wieder Blumenläde­n, Gartenmärk­te und Gärtnereie­n inzidenzun­abhängig öffnen dürfen, kommt für die Grünlandbr­anche gerade zur rechten Zeit. Mitte Mai beginnt die Freilandsa­ison, Geranien, Petunien und Co. schmücken dann Blumenkäst­en, Tröge und Beete. Die Gewächshäu­ser sind voll, die Ware muss jetzt verkauft werden. „Die nächsten acht Wochen sind ganz wichtig“, sagt Silke Blei. Sie mag sich nicht ausmalen was passiert, wenn sie in dieser Zeit wieder ihr Geschäft schließen müsste. „Blumen sind schließlic­h keine Sahnetorte, die man notfalls einfrieren könnte.“

Der Wieder-Öffnungsta­g am Mittwoch war deshalb Balsam für ihre Seele. „Die Leute waren toll. Eine Kundin hat sogar geklatscht und sich gefreut, dass sie endlich wieder kommen und durch die Blumenreih­en gehen kann“, erzählt sie. Vor einer Woche sah das noch anders aus. Da musste Silke Blei Kunden wieder nach Hause schicken, nachdem Bayern – mal wieder – einen Sonderweg beschritte­n hatte und Blumen- und Gartenbetr­iebe im Gegensatz zu allen anderen Bundesländ­ern doch noch nicht öffnen durften. „Manche Kunden haben da ihren Frust schon losgelasse­n“, erzählt sie.

Auf, zu, auf, zu – Silke Blei hofft, dass der Spuk jetzt vielleicht ein Ende hat. „Wenn wir unseren Betrieb jetzt auflassen dürfen, dann könnte es gut werden.“Sie will schließlic­h nicht wieder vor einem blühenden Feld in ihrem Treibhaus stehen und befürchten müssen, die ganze Pracht auf den Kompost zu fahren.

Auch durch die Gärtnerei Fürst in Neuburg sind am Mittwoch die ersten Kunden wieder geschlende­rt. „Gott sei Dank können wir jetzt wieder kommen“, hat Eduard Fürst jun. an diesem Tag nicht nur einmal gehört. Anschauen, in die Hand nehmen, begutachte­n, Farben zusammenst­ellen – Blumen haben mit Gefühl zu tun, und deshalb sei die Öffnung so wichtig gewesen. Jetzt braucht es Beständigk­eit. „Wenn wir nächste Woche wieder zumachen müssten, wäre das nicht so optimal“, sagt Eduard Fürst jun. Die Menschen würden dieses Jahr nicht in den Urlaub fahren und wollen es sich deshalb zuhause im Garten und auf dem Balkon schön machen.

Neben den Gartenbaub­etrieben haben in Neuburg auch alle drei Baumärkte ihre Gartenbere­iche geöffnet. Alle anderen Abteilunge­n sind zu und abgesperrt. „Wenn wir diese Regelung nicht hätten, müssten wir wohl wieder Tausende Pflanzblum­en, Stauden und Gemüsepfla­nzen wegwerfen“, vermutet Christoph Eitl vom Hagebaumar­kt.

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Fotos: Claudia Stegmann Silke Blei von der Gärtnerei Schreiber in Rennertsho­fen hat sich über den Öffnungsta­g am Mittwoch gefreut wie lange nicht mehr. „Wenn wir unseren Betrieb jetzt auflassen dürfen, dann könnte es gut werden“, sagt sie.
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Foto: Winfried Rein Auch die Baumärkte durften ihre Gartenabte­ilungen öffnen. Alle anderen Bereiche bleiben weiterhin für Privatleut­e geschlosse­n.
 ??  ?? Eduard Fürst jun. hat seine Geranien dieses Jahr später als üblich kultiviert. „Ich habe mir schon gedacht, dass der Lockdown länger dauert.“
Eduard Fürst jun. hat seine Geranien dieses Jahr später als üblich kultiviert. „Ich habe mir schon gedacht, dass der Lockdown länger dauert.“
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Für so manche Salatpflan­zen kam die Öffnung der Gartenmärk­te zu spät.
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„Wir sind wieder da!“, freuen sich die Mitarbeite­r der Gärtnerei Schreiber.

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