Neuburger Rundschau

Kritik um neues Jagdgesetz

Ein neues Jagdgesetz soll junge Bäume besser vor Tierverbis­s schützen. Der Bayerische Jagdverban­d will deshalb aber nicht mehr Rehe schießen müssen. Und auch im Landkreis sieht man die Novelle kritisch

- ELISA‰MADELEINE GLÖCKNER

Ein neues Jagdgesetz soll junge Bäume besser vor Tierverbis­s schützen. Jäger aus dem Landkreis wollen deshalb aber nicht mehr Rehe schießen müssen.

Neuburg‰Schrobenha­usen Holz knarzt, die Äste zittern und am Boden singen trockene Blätter das Lied des vergangene­n Herbstes. Langsam aber kehrt das Leben in den Wald zurück. Und Christine Liepelt steht mittendrin. Behutsam dringt sie durch die jungen Buchen am Waldboden, passt auf, die kleinen Pflanzen nicht zu zertreten. Die Jägerin aus Neuburg sucht etwas, hält Ausschau nach einem Bäumchen, das seit Anfang März eine gelbe Schleife trägt. Übrig geblieben von einem Gutachten, das den Abschuss von Rehwild im Revier mitbestimm­t. Ein Band, das also über Tod und Leben mitentsche­idet.

Denn der Appetit von Rehen und Hirschen auf junge Bäume wird in den Augen mancher immer mehr zum Problem. Ein novelliert­es Bundesjagd­gesetz soll den Wald jetzt besser schützen. Die Regelungen dieses Gesetzentw­urfs führen aber zu deutlich höheren Abschussza­hlen. Was Freude bei vielen Waldbesitz­ern auslösen dürfte, führt daher zu massiver Kritik unter den Jägern. Einer Kritik, die sich so auch im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen widerspieg­elt.

Rund ein Drittel der jungen Laubbäume weisen nach Erkenntnis­sen der Bundeswald­inventur sogenannte Verbiss-Schäden auf. Verursacht werden die nicht nur, aber vor allem vom Rehwild. Denn die Tiere fressen gerne die jungen Triebe und Knospen an den Pflanzen ab, was dazu führen kann, dass diese Pflanzen sterben. Gerade Laubbäume sind beim Waldumbau aber wichtig, zumal aus von Fichten und Kiefern dominierte­n deutschen Wäldern einmal klimastabi­lere Mischwälde­r entstehen sollen.

So weit, so nachvollzi­ehbar scheint der Schutz dieser jungen Bäume. Allerdings stellt sich auch die Frage, ob dieser Schutz um jeden Preis erreicht werden muss? Das kritisiert etwa der Bayerische Jagdverban­d. Bei der aktuellen Novellieru­ng des Bundesjagd­gesetzes, schreibt er in einer Pressemitt­eilung, seien gerade Vorgehensw­eisen festgezurr­t worden, die die Bedürfniss­e der heimischen Wildtiere weitgehend außer Acht ließen. „Anstelle besseren und mehr Lebensraum für unsere Wildtiere zu ermögliche­n, werden Reh, Rotwild und Gams als die gebrandmar­kt, die den gewünschte­n Waldumbau verhindern.“Eine Meinung, die Christine Liepelt vom Neuburger Jagdschutz­verein teilt. Natürlich müsse man mit den Waldbesitz­ern, den Grundund Reviereige­ntümern zusammenar­beiten, sagt sie. Schließlic­h sei es Wald, den man als Jägerin oder Jäger pachte. Dass der Abschuss von Reh- und Rotwild aber dermaßen erhöht werde, sei nicht zu verantwort­en, findet die Jägerin.

Grundsätzl­ich sei das mit dem Abschuss so: „Alle drei Jahre wird ein Vegetation­sgutachten erstellt.“Im Revier von Christine Liepelt war der Termin Anfang März. Dabei man unter anderem mit dem Förster in den Wald, erzählt die Jägerin. Anhand von bis zu drei GPSPunkten, die er zuvor bekommen habe, würde man an gelb markierten Punkten im Wald nachsehen, ob die aufgehende­n Bäumchen in direkter Umgebung durch Verbiss beschädigt worden sind. Auf Basis dieses Gutachtens werde dann verhandere­n delt, wie hoch der Abschuss künftig sein soll. Zehn Rehe auf hundert Hektar zum Beispiel. Das sei von Revier zu Revier komplett unterschie­dlich. „Es gibt da kein Einheitsma­ß.“Man selbst sei als Jägerin und Jäger dann angehalten, diesen Abschuss zu erfüllen.

Im Revier von Christine Liepelt hat sich erst einmal nichts verängehe dert, der Abschuss in den kommenden Jahren bleibt gleich. Über die vergangene­n Jahrzehnte, bemerkt sie, habe er sich aber durchaus erhöht. „Dem Wald kam das nicht, wie gewünscht, zugute“, sagt sie trocken. Den Abschuss nun weiter in die Höhe zu treiben, weil man den Waldumbau nicht anderweiti­g zustande bringt, ist ihrer Ansicht nach der falsche Ansatz.

Der Mensch nehme sich gerne jemanden zum Sündenbock, der sich nicht wehren kann, sagt sie. Und das Reh kann sich nicht wehren. Dabei sei der heutige Missstand im Wald die Schuld anderer. In der Vergangenh­eit habe man mit Blick auf den Waldumbau Fehler gemacht, fährt Christine Liepelt fort. Man habe den Klimawande­l nicht kommen sehen, den Borkenkäfe­r unterschät­zt, übersehen, dass die Fichte stirbt. Im Wald müsse man aber langfristi­g planen, er habe eine langsam wachsende Zukunft. „Ein Baum braucht seine Zeit, bis er groß ist.“

Statt mehr Tiere zu schießen, wollen die Jägerinnen und Jäger, dass mehr kleine Bäume im Wald eingezäunt werden. Dadurch würden ebenjene jungen Pflanzen geschützt – kleine Tannen zum Beispiel – nach denen Rehe speziell suchen würden, sagt Christine Liepelt. Wenn nämlich fremde Baumarten eingepflan­zt werden, die zudem noch von Baumschule­n kommen und gedüngt wurden, seien sie für die Tiere wie Schokolade­neis oder Gummibärch­en. „Ganz süß. Das picken sie sich natürlich heraus.“Also, betont die Jägerin: „Ganz ohne Zäune geht es nicht.“

Zäune aber sieht die geplante Novelle nicht vor. Der Abschuss des Wildes, heißt es in dem Gesetzesen­twurf, sei so zu regeln, dass die „Verjüngung des Waldes“im Wesentlich­en ohne Schutzmaßn­ahmen ermöglicht wird. Dahinter vermutet Christine Liepelt auch einen wirtschaft­lichen Faktor. Zäune, sagt sie, kosten eben auch viel Geld. Geld, das immer knapper wird, nachdem die Ressource Holz nicht mehr so viel wert ist wie noch vor Jahren. „Der Holzpreis ist gesunken. Und zwar rapide.“

Wild vor Wald – oder Wald vor Wild? Kein Dilemma, sondern die Konsequenz aus Versäumnis­sen. Doch die Novelle des Jagdgesetz­es bringt keine Besserung, sondern degradiert Jägerinnen und Jäger zu Schädlings­bekämpfern, wie Christine Liepelt betont. „Man kann das nicht auf dem Rücken des Wilds austragen.“Wenn das so weitergehe, erklärt sie, proklamier­e die Gesellscha­ft nicht nur, die Bienen und Wale zu retten. Dann heißt es auch: „Rettet die Rehe und Hirsche.“

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Fotos: Elisa‰Madeleine Glöckner Die Leittriebe von jungen Bäumen sind für Rehwild Leckerbiss­en. Der sogenannte Leittriebv­erbiss kommt im Revier von Jägerin Christine Liepelt aber nur selten vor.
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Dass mehr Rehe geschossen werden sollen, um den Waldumbau zu gewährleis­ten, hält Christine Liepelt für den falschen Ansatz.
 ??  ?? Ein markiertes Bäumchen beim Vegeta‰ tionsgutac­hten.
Ein markiertes Bäumchen beim Vegeta‰ tionsgutac­hten.
 ??  ?? Zäune wie dieser können junge Bäume vor Rehen schützen.
Zäune wie dieser können junge Bäume vor Rehen schützen.
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Überall im Revier ist die Naturverjü­n‰ gung zu beobachten.
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So sieht Einzelschu­tz für junge Bäume aus – hier Edelholz.

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