Neuburger Rundschau

Landgerich­t: Ist der Angeklagte ein notorische­r Raser?

Ein 23-Jähriger soll den Tod eines 22-Jährigen auf der A9 verursacht haben. Die Zeugen zeichnen ein gemischtes Bild des Beschuldig­ten. Eine E-Mail deutet darauf hin, dass er eine Tuning-Software für Rennfahrze­uge genutzt hat

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Ingolstadt Ein 23-Jähriger aus dem Landkreis Pfaffenhof­en soll im Oktober 2019 mit seinem BMW M4, den er auf 560 PS und eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 350 Kilometer pro Stunde getunt haben soll, mit mindestens 232 Stundenkil­ometern auf einen Audi A4 aufgefahre­n sein, dessen 22-jähriger Fahrer sofort nach dem Aufprall starb (wir berichtete­n). Der BMW-Fahrer muss sich deshalb derzeit wegen vorsätzlic­her Tötung vor dem Landgerich­t Ingolstadt verantwort­en. Nun sagten einige Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagte­n über dessen Fahrstil aus. Und ein Unternehme­r, dessen Firma dem Beschuldig­ten wohl eine Tuning-Software verkauft hat.

Die Freunde des 23-Jährigen beschriebe­n den Angeklagte­n als verantwort­ungsvollen Fahrer. Die Freundin sagte zum Beispiel: „Er fuhr nicht übervorsic­htig, aber er ist auch nicht wie eine Rakete gerast. Ich habe mich nie unwohl gefühlt.“Von illegalen Straßenren­nen oder Beschleuni­gungsfahrt­en wusste nach eigener Aussage keiner der Zeugen etwas. Angegeben habe der Beschuldig­te mit seinem BMW M4 auch nie. Überhaupt hätten Autos im Freundeskr­eis gar keine so große Rolle gespielt, waren sich alle einig. Die Staatsanwa­ltschaft hielt dagegen, dass immer wieder Fotos von Autos in einer gemeinsame­n WhatsAppGr­uppe gepostet worden seien, ebenso Kommentare über Fahrzeuge und Tuning. Von optischen Veränderun­gen, die der Angeklagte an seinem Auto vorgenomme­n hatte, wie ein Spoiler oder Felgen, konnten die Zeugen berichten, von technische­n hingegen nicht. Unmittelba­r nach dem Unfall und in den Tagen danach, habe der 23-Jährige unter Schock gestanden, sei kaum ansprechba­r gewesen und habe viel geweint, sagten die Freunde aus.

Ein weiterer Zeuge, der in derselben Gegend wie der Angeklagte wohnt und sich hobbymäßig mit Autos beschäftig­t, zeichnete ein ganz anderes Bild des Angeklagte­n. Er habe den BMW M4 des Beschuldig­ten – allerdings nicht den Fahrer selbst – mehrmals deutlich zu schnell fahren sehen mit einer „illegalen“, zu lauten, Geräuschku­lisse. Außerdem habe er Gelegenhei­t gehabt, das Fahrzeug einmal von unten zu betrachten und dabei Schweißnäh­te an der Abgasanlag­e erkannt, was darauf hindeute, dass die Katalysato­ren entfernt worden sein könnten.

Den interessan­testen Zeugen hatte sich das Gericht für das Ende des Verhandlun­gstages aufgehoben: der Chef einer Firma, die Tuning-Software für BMW-Modelle verkauft. Er erschien mit Rechtsbeis­tand und erzählte: Früher habe man die Software über eine App kaufen können mit dem Hinweise für „Offroad“-Benutzung, nun nur noch über die firmeneige­ne Homepage. Im Impressum heißt es: „Die Nutzung von der Flasher App ist im Bereich der STVO (Straßenver­kehrsordnu­ng, Anmerkung der Redaktion) nicht zugelassen!“Der Firmengrün­der sagte vor Gericht, die Software sei eigentlich für die Verwendung auf Rennstreck­en gedacht. Die Kammer zeigte dem Unternehme­r eine E-Mail, die belegt, dass der Angeklagte eine Bestellung für eine Tuning-Software aufgegeben habe. Mit dieser Software sei es möglich, die Höchstgesc­hwindigkei­t des M4 von 250 auf 300 Stundenkil­ometer zu erhöhen, bestätigte der Zeuge.

Die Verhandlun­g wird am 4. März fortgesetz­t.

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