Wann geht’s wieder bequem bergauf?
Die Bergbahn-Betriebe im Allgäu hoffen, dass sie ab Anfang Juli ihre Fahrten aufnehmen können. Wie dabei die Auflagen aussehen könnten
Oberstdorf/München Die Branche bezeichnet sich gerne als „Rückgrat des Tourismus“oder als „Motor der Region“. Doch dieser Motor ist ins Stocken geraten. Und schließlich wurde er abgewürgt – wie so vieles. Das war am späten Nachmittag des 15. März. Seitdem stehen alle Bergbahnen im Allgäu still. Auch im benachbarten Tirol und in ganz Vorarlberg.
Wann geht es vielleicht wieder weiter? Jörn Homburg von den Oberstdorf Kleinwalsertal (OK)Bergbahnen zuckt mit den Schultern. Er sagt: „Wir bräuchten zumindest mal eine Perspektive.“Ungewissheit herrscht auch beim Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS). Derzeit werde ein Konzept erarbeitet, wie ein Betrieb der Bahnen mit einem Einhalten der Corona-Schutzvorkehrungen möglich sein könnte, sagte eine Sprecherin des VDS auf Anfrage. Ein entsprechendes Arbeitspapier sei derzeit in der Schlussabstimmung und könnte bereits Anfang der Woche der Politik vorgelegt werden. In der Branche hält man es für realistisch, „dass wir ab 1. Juli wieder fahren dürfen“. Man hofft auf Rückenwind aus Österreich, wo zu Pfingsten der Tourismus wieder anlaufen soll – freilich mit erheblichen Auflagen. Wenn Gäste kommen, müsse es auch ein – zumindest begrenztes – touristisches Angebot geben. Und da wollen die Bergbahnen unbedingt mit dabei sein.
Doch das Problem liegt auf der Hand: In den meisten Seilbahnen sitzen oder stehen die Menschen recht eng zusammengedrängt. So sind unter normalen Verhältnissen die Sicherheitsabstände von eineinhalb Metern kaum einzuhalten. Das wäre aber zu machen, wenn beispielsweise in einer Achterkabine nur zwei, drei oder vielleicht vier Fahrgäste sitzen. Auch in einer Warteschlange könnten Fahrgäste auf Distanz bleiben. In der Berggastronomie schließlich wären die Auflagen wie im Tal einzuhalten.
Trotz Corona-Krise werden geplante oder begonnene BergbahnProjekte in der Region weitergeführt. Beispiel Söllereck bei Oberstdorf: Dort ist wegen des Betriebsstillstands sogar zwei Monate früher mit dem Bau der neuen Hauptbahn begonnen worden. Das Projekt ist Teil eines knapp 43 Millionen schweren Modernisierungsprogramms des gesamten Skigebiets.
Auch die weiteren Arbeiten für eine neue Nebelhornbahn könnten möglicherweise in diesem Sommer vorgezogen werden. Erst kürzlich hatte der Oberstdorfer Gemeinderat den Bau einer neuen Talstation mit bogenförmigem Dach, eines Servicegebäudes mit Kassenhalle, eines Sportgeschäfts und eines Verwaltungsgebäudes genehmigt.
Wie es konkret am Nebelhorn weitergeht, das wird in einer Aufsichtsratssitzung am 11.Mai entschieden. Dass gebaut wird, ist beschlossene Sache. Doch der Fahrplan könnte angesichts der CoronaKrise geändert werden: Falls der Sommerfahrbetrieb länger eingestellt bleibt, könnte der Neubau der unteren Sektion früher beginnen.
Symbolfoto: Ralf Lienert
Ein ganz anderes Thema beschäftigt die Liftbetreiber nach dem am 15. März plötzlich abgebrochenen Skiwinter ebenfalls. Besitzer der bei vielen Allgäuer Bergbahnen gültigen Allgäu-Superschnee-Card und der Allgäu-Tirol-Gletschercard wollen wissen, ob sie einen Teil des Preises, den sie ausgegeben hatten, rückerstattet bekommen. An einer Lösung werde intensiv gearbeitet, sagt Eric Siemen von der Allgäu GmbH. Letztlich müssten das die Bergbahnbetreiber entscheiden. Und einigen steht angesichts der Ausfälle durch Corona schon jetzt das Wasser bis zum Hals.
Die deutschen Seilbahnen verzeichnen laut des Verbandes VDS im Jahr über zehn Millionen Fahrgäste. Davon sind rund 38 Prozent Tages- und ungefähr 54 Prozent Übernachtungsgäste. Die anderen hatten eine Saisonkarte. Nach einer Studie des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr an der Uni München sichert durch die Wertschöpfung jeder Arbeitsplatz bei einer Bergbahn weitere fünf Jobs in der Region.
Saisonkarte: Bekommt man sein Geld zum Teil zurück?