Fieber ist keine Krankheit
Längst ist ein Umdenken im Gang: Ärzte sehen die Vorteile der erhöhten Körpertemperatur. Denn damit heizt der Organismus Erregern richtig ein. Senkende Medikamente können sogar kontraproduktiv sein
„Umdenken ist angesagt.“Mit diesen Worten richtete sich die Stiftung Kindergesundheit bereits im März 2016 an die Öffentlichkeit. Es ging dabei um Fieber und um die oft übertriebene Angst vor den Auswirkungen. In der Vergangenheit wurde eine erhöhte Körpertemperatur allein bereits als ein bedrohlicher Krankheitszustand eingestuft, den es zu bekämpfen galt. Für Eltern fiebernder Kinder, für erkrankte Erwachsene und auch für viele Ärzte war es selbstverständlich, mit Wadenwickeln oder Medikamenten die Temperatur zu senken.
Inzwischen hat sich die neue Sicht weitgehend durchgesetzt. Fieber selbst wird nicht mehr als Krankheit, sondern als ein Symptom einer Erkrankung angesehen. Temperatursenkung als Selbstzweck entspricht nicht mehr dem jetzigen Wissensstand. Eine erhöhte Körpertemperatur ist in den allermeisten Fällen die ganz normale Antwort des Körpers auf eine Infektion mit Bakterien, Viren oder auch Parasiten. „Fieber ist ein Zeichen der Aktivierung des Immunsystems“, erklärt Thomas Löscher, Internist, Infektionsund Tropenmediziner in München. „Man muss es nicht gleich unterdrücken.“
Verantwortlich für die Wärmeregulation des Körpers ist eine bestimmte Gehirnregion, der Hypothalamus. Er steuert die Wärmeproduktion und Wärmeabgabe, wodurch sichergestellt wird, dass die Temperatur im Körperkern, das heißt, im Kopf und Rumpf mit seinen inneren Organen, bei rund 37
Grad bleibt. Bei einer Infektion regelt der Hypothalamus den Sollwert hoch, weshalb die Körpertemperatur ansteigt. Dies ist höchst sinnvoll, denn nun kann das Immunsystem optimal arbeiten und die Erreger bekämpfen. Viele Studien haben gezeigt, dass das Wachstum von Viren und Bakterien bei Fieber gehemmt wird. Durch den Temperaturanstieg werden bestimmte Eiweißstoffe gebildet, die die Fresszellen des Immunsystems anregen und schlussendlich zu einer besseren Immunantwort führen. Diese nützlichen Reaktionen des Körpers laufen am besten bei einer Temperatur zwischen 39 und 40 Grad ab. Wäre Fieber nicht eine äußerst sinnvolle Infektionsbekämpfungsstrategie des Körpers, dann wäre es in der langen Zeit der Evolution längst ausgemerzt worden, meinen Experten. Das Abwehrfeuer gibt es nicht nur
Menschen und Säugetieren, sondern beispielsweise auch bei Reptilien, Fischen oder Insekten.
Damit mehr Wärme produziert wird, intensiviert der Körper den Stoffwechsel und erhöht die Muskelarbeit. Wenn das Fieber besonders schnell ansteigt, kann es daher auch zu Schüttelfrost kommen. Gleichzeitig wird die Wärmeabgabe gedrosselt, das heißt, die Blutgefäße in der Peripherie ziehen sich zusammen, sodass Hände und Füße kälter werden. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen begrenzt der Organismus den Fieberanstieg bei rund 41,4 Grad. Die Höhe des Fiebers sagt
über die Schwere der Infektion aus, wie Thomas Löscher betont: „Die Fieberreaktion ist immer höchst individuell. Sie kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausfallen. Bei manchen Betroffenen – besonders Senioren und Abwehrgeschwächten – kann es trotz schwerer Infektion sogar zu Untertemperatur kommen, weil der Kreislauf nicht mehr mitmacht.“
Kleinen Kindern macht selbst hohes Fieber oft wenig aus; sie vertragen es besser als Jugendliche oder Erwachsene. Viele Eltern machen sich Sorgen, ihr fieberndes Kind könnte eventuell einen Fieberbei krampf bekommen. Dabei verkrampfen sich die Muskeln, Arme und Beine zucken. Das Kind wirkt abwesend oder verliert für kurze Zeit das Bewusstsein. Meist dauert solch ein Fieberanfall nur wenige Minuten, danach ist das Kind erschöpft und müde. Weshalb rund vier Prozent der Kinder zwischen einem und fünf Jahren zu Fieberkrämpfen neigen, ist nicht klar. Man vermutet, dass die Vererbung eine Rolle spielt. Fieberkrämpfe lassen sich jedoch nicht abwehren, indem man das Fieber mit Wadenwickeln oder Medikamenten senkt; sie können auch schon bei einer Temperanichts tur von 38 Grad auftreten. Üblicherweise erholen sich Kinder rasch von einem Fieberkrampf, dennoch wird empfohlen, beim ersten Auftreten eines solchen Krampfanfalls die Notrufnummer 112 zu wählen, damit mögliche andere Gründe ausgeschlossen werden können.
Ältere Menschen entwickeln häufig kaum oder nur geringes Fieber. Einer der Gründe dafür ist, dass ihr Abwehrsystem nicht mehr so auf Hochtouren läuft wie bei Jüngeren. Wegen des oft fehlenden Fiebers kann eine Infektion bei älteren Menschen leicht übersehen werden. Außerdem haben Senioren üblicherweise eine niedrigere Temperatur. Wenn klar ist, dass das Fieber von einer Erkältung kommt, kann man abwarten, ansonsten sollten ältere Personen, besonders Herzkranke, ihren Arzt aufsuchen.
Da Fieber den Infektionserregern kräftig einheizt, sollte man nicht gleich dagegen angehen, sondern dem Immunsystem Zeit geben, die Eindringlinge zu bekämpfen. Bis zu einem Wert von 39 Grad kann man abwarten, wenn der Betroffene sich nicht zu krank fühlt und der Allgemeinzustand gut ist. Fiebersenkende Medikamente können den Krankheitsverlauf sogar komplizierter machen und verlängern. So kann es etwa bei einem durch Viren verursachten Schnupfen durch Medikamente zu einer stärkeren Schwellung der Nasenschleimhaut kommen und zu einer ausgedehnteren Virenausscheidung.
Wenn Eltern mit ihrem fiebernden Kind den Arzt konsultieren, wird der in erster Linie nach der Ursache für den Temperaturanstieg
Auch Fische und Insekten können Fieber haben
Arbeitsfähig ist man nicht mehr
suchen – meist ist es die Folge eines banalen Infekts. Nur nach ärztlichem Rat sollte man Kindern Medikamente zur Fiebersenkung geben. Dann sind Präparate wie Paracetamol oder Ibuprofen angebracht, die auch schmerzlindernd wirken und das Allgemeinbefinden meist schnell verbessern.
Acetylsalicylsäure („Aspirin“) darf bei Kindern unter zwölf Jahren nicht angewendet werden, da schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können. Ansonsten gilt: Wer Fieber hat, sollte sich schonen. „Man ist nicht arbeitsfähig mit Fieber“, sagt Thomas Löscher. „Betroffene sollten sich auskurieren, sonst dauert der Infekt womöglich länger.“Wichtig ist außerdem, genug zu trinken. Die tägliche Trinkmenge sollte mit jedem Grad der Temperaturerhöhung um 0,5 bis einen Liter aufgestockt werden.