Das verdient ein Landwirt mit Milch und Fleisch
Die deutschen Bauern sind unzufrieden. Für ihre Produkte erhalten sie immer weniger Geld, da diese im Supermarkt zu billig verkauft werden. Die Gewinne streichen andere ein. Aber stimmt das wirklich? Ein Faktencheck
Augsburg Der Preiskampf im deutschen Lebensmittelhandel ist hart. Aber auch die Marktmacht der vier größten Gruppen Aldi, Lidl/Kaufland, Edeka sowie Rewe. Gerade die immer neuen Sparangebote der Supermärkte verschärfen die Situation für die Bauern. Sie sollen immer billiger produzieren, gleichzeitig aber immer höhere Auflagen beim Tierund Umweltschutz erfüllen. Die Reaktion der Landwirte: Proteste. Die Reaktion der Politik: Lebensmittelgipfel mit Vertretern von Supermarktketten und Discountern. Die Ergebnisse: unkonkret.
Doch wie ist die Lage tatsächlich? Was kostet den Landwirt im Schnitt die Produktion von einem Liter konventionell erzeugter Milch und Biomilch sowie einem Kilogramm Hühner-, Rind- und Schweinefleisch? Was bekommt er dafür von Molkereien oder Schlachthöfen und was kosten die Produkte letztlich im Supermarkt?
● Konventionell erzeugte Milch Für ein Kilogramm konventionell erzeugter Milch (ein Liter Milch entspricht etwa 1,03 Kilogramm) hatte ein Landwirt 2019 laut dem Milchmarkerindex der Deutschen Milcherzeugergemeinschaft (MEG) Milch Board Ausgaben von 44,4 Cent. Dafür bekam er aber nur 34,48 Cent als Erzeugerpreis von einer Molkerei. Der Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB) geht beim Preis bis auf 2019 von knapp einem Cent weniger im Vergleichszeitraum aus. Das heißt, dass die Milchbauern knapp 10 Cent Verlust machten. Auch in den Vorjahren war das so, 2016 musste ein Bauer im Schnitt sogar mit 15 Cent Minus rechnen. Im Supermarkt kostete ein Liter konventionell erzeugter Milch 2019 laut des Verbraucherpreisspiegels der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) etwa 70 Cent. Der Preis lag also deutlich über den Produktionskosten und den Erzeugerpreisen. Das war auch in den Vorjahren so.
● Biomilch Bei der Biomilch sieht es ähnlich aus: Von 2015 bis 2019 produzierten die deutschen Milchbauern kontinuierlich unterdeckend. Zwar sanken die Produktionskosten laut einer Berechnung des European Milk Board (EMB) von 2014/15 bis 2018/19 von 69,53 auf 60,29 Cent pro Kilogramm. Dennoch konnte das nicht die Lücke zu den Erzeugerpreisen schließen. Diese bewegten sich im selben Zeitraum zwischen 47,07 bis 48,54 Cent pro Kilo.
Im Supermarkt kostete ein Liter
Biomilch laut AMI in dieser Zeit zwischen 1,07 und 1,10 Euro.
In die Milcherzeugungskosten miteingerechnet sind Ausgaben für Futter, Tierhaltung, Energiebedarf, Lohn, Pacht oder Unterhalt von Gebäuden und Maschinen. Diese seien von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. Einen konkreten Wert festzulegen findet Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des VMB, deshalb schwierig. Von 40 Cent im Schnitt könne aber ausgegangen werden. Für das erste Halbjahr 2020 prognostiziert Seufferlein einen stabilen Milchpreis mit einer leichten Tendenz nach oben.
● Hühnerfleisch Mithilfe des „Wirtschaftlichkeitsrechners Tier“des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) lassen sich die Produktionskosten berechnen. Im Dreijahresdurchschnitt von 2016 bis 2018 lagen sie für ein Masthuhn durchschnittlich bei 89 Cent pro Kilogramm Lebendgewicht. Der Erzeugerpreis, den der Landwirt von einem Schlachter bekommt, lag laut Marktinfo Eier & Geflügel (MEG) bei 84 bis 86 Cent pro Kilo und somit unter den Produktionskosten.
Im Supermarkt kostete das Kilo Hühnerfleisch von 2016 bis 2018 laut AMI minimal 5,17 (2017) und maximal 5,37 Euro (2018).
● Rindfleisch Für einen Jungbullen aus der Rindermast errechnete der KTBL-Rechner Produktionskosten von 3,64 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht im Dreijahresdurchschnitt von 2016 bis 2018. Der Erzeugerpreis stieg im selben Zeitraum laut Situationsbericht 2019/20 des Deutschen Bauernverbands (DBV) von 3,62 auf 3,84 Euro. Somit machte der Landwirt bis auf 2016 einen Gewinn.
Der Preis für ein Kilo Rindfleisch war laut AMI im Supermarkt fast dreimal so hoch.
● Schweinefleisch Die Produktionskosten für ein Kilogramm Schweinefleisch aus einem Mastbetrieb lagen laut AMI 2019 bei 1,70 Euro, der Erzeugerpreis bei 1,76 Euro. Der Landwirt konnte somit einen kleinen Gewinn verbuchen. Das sah in den Vorjahren allerdings anders aus. 2016 waren die Produktionskosten und der Erzeugerpreis mit 1,64 Euro identisch, in allen anderen Jahren lag der Preis immer unter den Kosten, sodass der Bauer Verlust machte.
Laut des AMI-Verbraucherpreisspiegels lagen die Supermarktpreise beim Schweinefleisch ebenfalls deutlich über den Produktionskosten und den Erzeugerpreisen. 2019 gab es das Kilo Schweinefleisch zum Beispiel für 6,58 Euro.
In die Fleischerzeugungskosten miteingerechnet sind ebenfalls Ausgaben für Futter, Tierhaltung, Energiebedarf, Lohn, Pacht oder Unterhalt von Gebäuden und Maschinen.
● Fazit Bis die Milch und das Fleisch vom Landwirt beim Verbraucher landen, sind zusätzlich einige Zwischenschritte nötig, bei denen noch Geld hängen bleibt: Molkereien, Schlachter oder Supermärkte. Dennoch ist die Analyse für die Bauern ernüchternd. Sie produzieren oftmals unter Kostendeckung. Der Hauptteil des Geldes geht an andere.
Um den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten, seien daher kurzfristig ein niedrigerer Lohnansatz und Kosteneinsparungen nötig. Das sei aber nicht nachhaltig, sagt HansJürgen Seufferlein, Geschäftsführer des VMB. Die Alternative: „Die Verschuldung nimmt weiter zu“, wie Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) erklärt. Er ist
Welche Chancen kleinere Betriebe nutzen können
selbst Milchbauer. Sein Hof mit knapp 100 Kühen liegt bei Irsee im Ostallgäu. Investitionen aber sind in beiden Fällen kaum möglich. Da die Betriebe aber laufend investieren müssten, gehe ohne Darlehen nichts. Nur so und mit langen Refinanzierungsmöglichkeiten von bis zu 30 Jahren sowie Investitionsprogrammen aus öffentlicher Hand sei dies möglich, sagt Foldenauer.
Kleine Betriebe hätten es seiner Ansicht nach in diesem Zusammenhang sogar besser. Zwar müssten sie investieren, um den Anschluss nicht zu verpassen, könnten aber auch leichter aussteigen oder die Nutzung ändern. Größere Betriebe würden in viel größerem Umfang Schulden machen und seien oft so spezialisiert, dass eine Änderung der Nutzung oft nicht gehe. Und: „Auch Aussteigen muss man sich leisten können“, resümiert Foldenauer.
Was wäre also die Lösung zur Verbesserung der finanziellen Lage der Landwirte? Eventuell die Direktvermarktung an den Kunden. Für Markus Drexler, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbands (BBV) ist klar: Ohne die gesellschaftliche und politische Unterstützung könne gerade die regionale Landwirtschaft den Kampf nicht gewinnen.