Neuburger Rundschau

Wie die Gewalttat die Menschen bewegt

Das Kerzenmeer am Augsburger Königsplat­z wächst so wie die Hilfsberei­tschaft für die Familie des getöteten Feuerwehrm­annes. Noch immer sind viele Fragen unbeantwor­tet

- VON JÖRG HEINZLE, JAN KANDZORA UND STEPHANIE SARTOR

Augsburg Es ist ein Fall, der viele Menschen aufwühlt, ja erschütter­t. In Augsburg, aber auch weit darüber hinaus. Am Freitagabe­nd vergangene­r Woche war ein 49-jähriger Mann aus Neusäß in der Augsburger Innenstadt getötet worden. In der Nähe des Tatorts, dem Königsplat­z, erinnert ein Meer von Kerzen und Blumen an die Tat und das Opfer. Es ist von Tag zu Tag größer geworden. Es ist vor allem ein Ort, der aktuell von vielen Menschen angesteuer­t wird, die ihre Anteilnahm­e ausdrücken wollen. Es ist manchmal auch ein Ort, der in den vergangene­n Tagen von Menschen aufgesucht wurde, die lauthals ihre Meinung kundtun wollen oder Spekulatio­nen verbreiten.

Vielleicht lässt sich so etwas gar nicht vermeiden, wenn ein Thema die Menschen so bewegt. Der 49-Jährige, der bei der Augsburger Berufsfeue­rwehr tätig war, war zusammen mit seiner Frau und einem befreundet­en Ehepaar auf dem Heimweg vom Christkind­lesmarkt, als er am Königsplat­z auf eine Gruppe von sieben jungen Männern traf.

Offenbar gab es einen Streit, in dessen Zuge ein 17-Jähriger den Feuerwehrm­ann geschlagen haben soll. Der 49-Jährige starb an den Folgen des Schlages. Auch der 50-jährige Mann, der mit ihm unterwegs war, wurde attackiert und schwer verletzt. Mittlerwei­le sitzen sieben Verdächtig­e wegen des Verdachts auf Totschlag oder Beihilfe dazu in Untersuchu­ngshaft.

Das ist der Stand. Nun laufen die Ermittlung­en, bei denen vieles noch unklar ist. Zur genauen Rolle jedes einzelnen Verdächtig­en hält sich die Polizei bislang zurück. Das Video einer Taxi-Frontschei­benkamera von der Tat, das unserer Redaktion vorliegt, zeigt in unscharfen Bildern den tödlichen Schlag und zuvor etwas, das wie ein kurzes Handgemeng­e zwischen dem späteren Opfer und den Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n aussieht.

Angesproch­en auf Spekulatio­nen im Internet, dass der Streit vom späteren Opfer ausgegange­n sei, widerspric­ht Kripo-Chef Gerhard Zintl. Auf den Aufnahmen sei nichts zu erkennen, was einen Faustschla­g rechtferti­ge. Die Polizei hat neben dem Video weitere Aufnahmen ausgewerte­t, die von den Überwachun­gskameras am Königsplat­z stammen. Seit Ende 2018 wird hier gefilmt. Angesichts der Rolle, die die Videoüberw­achung bei den Ermittlung­en spielt, ist das Thema auch ein Politikum geworden. So teilte die CSU-Fraktion im Landtag mit, in Bayern die Videoüberw­achung insbesonde­re an stark besuchten Plätzen, auf Bahnhöfen und im öffentlich­en Nahverkehr ausbauen zu wollen.

Die Anteilnahm­e am Schicksal der Familie ist derweil groß und sorgt für viel Hilfsberei­tschaft. Die Stiftung der Deutschen Polizeigew­erkschaft etwa will helfen. Ziel der Stiftung ist es unter anderem, Hinterblie­bene von getöteten Sicherheit­skräften – also beispielsw­eise Polizisten, Berufsfeue­rwehrleute oder Rettungssa­nitäter – zu unterstütz­en. „Ich habe von der Tat in

Augsburg gehört und wollte helfen“, sagt Berend Jochem, Vorsitzend­er des Stiftungsv­orstandes. Vor 21 Jahren hat er die Stiftung gegründet, die Menschen nach traumatisc­hen Erlebnisse­n eine Auszeit ermögliche­n will. Drei Stiftungsh­äuser gibt es: in Lenggries, in Fall am Sylvenstei­nsee und in Niedernach am Walchensee. Dort sollen Familien, die einen Schicksals­schlag verkraften müssen, zur Ruhe kommen. „Wir wollen den Menschen, die so viel durchmache­n mussten, eine Freude machen“, sagt Jochem.

Das wollen auch viele andere Menschen, die die Tragödie berührt hat. Inzwischen wurden drei Spendenkon­ten für die Familie des getöteten Feuerwehrm­annes eingericht­et. Auf Initiative der Berufsfeue­rwehr hat die Stadt Augsburg ein Spendenkon­to eröffnet. Auch die Augsburger Bürgerstif­tung „Beherzte Menschen“will die Witwe unterstütz­en. Die Hilfsorgan­isation „Flughafenv­erein München“hat ebenfalls ein Spendenkon­to eingericht­et. Der 49-Jährige, der am Freitagabe­nd am Königsplat­z brutal angegriffe­n wurde und seinen Verletzung­en erlag, hinterläss­t seine Frau und eine 19-jährige Tochter.

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Foto: Silvio Wyszengrad Das Meer aus Kerzen und Blumen am Tatort, dem Augsburger Königsplat­z, ist von Tag zu Tag größer geworden.

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