Neuburger Rundschau

Bayern schickt mehr Polizisten in die Innenstädt­e

Freistaat will nach tödlicher Attacke Beamte von anderen Einsätzen abziehen

- VON STEPHANIE SARTOR UND ULI BACHMEIER

Augsburg/München Nach der tödlichen Attacke auf einen Feuerwehrm­ann in Augsburg hat Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) schnelle Konsequenz­en angekündig­t. In den kommenden beiden Wochen werde die Polizeiprä­senz rund um die großen Weihnachts­märkte noch einmal verstärkt. Dazu werde Personal von Fußballspi­elen und Verkehrsko­ntrollen abgezogen. Außerdem soll in Augsburg die Bereitscha­ftspolizei aushelfen. „Wir werden sichtbar mit mehr Polizei in der Innenstadt präsent sein“, sagte Herrmann.

Dass Polizisten aus anderen Bereichen abgezogen werden, ist nötig, weil die Personalde­cke äußerst dünn ist. Reserven gebe es nicht, erklärt Jürgen Ascherl, Stellvertr­etender Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPoIG), unserer Redaktion. Bis zum Jahr 2023 sollen zwar 3500 zusätzlich­e Stellen dazukommen. „Aber im Moment sind wir im Keller“, sagt Ascherl. Hinzu kommt: Die Beamten schieben einen gewaltigen Überstunde­nberg vor sich her. Deswegen, sagt Ascherl, müssten Kollegen eben irgendwo abgezogen werden. Er gibt aber zu bedenken: „Wenn dann was beim Fußball passiert, heißt es: Warum waren so wenige Polizisten da?“

Die Bereitscha­ftspolizei ins Boot zu holen, sei richtig, sagt Ascherl. Schon vor der Kabinettss­itzung am Dienstag hatte die Deutsche Polizeigew­erkschaft vorgeschla­gen, die bayerische Bereitscha­ftspolizei von den Grenzkontr­ollen abzuziehen und in den Innenstädt­en einzusetze­n. Seit Dezember 2016 seien ständig drei Einsatzzüg­e bei drei stationäre­n Grenzkontr­ollstellen gebunden. „Diese Einsatzkrä­fte fehlen für andere wichtige polizeilic­he Unterstütz­ungsaufgab­en im Landesinne­rn“, kritisiert Ascherl. Es gebe keinen Grund, die Grenzkontr­ollen grundsätzl­ich infrage zu stellen, sagt Innenminis­ter Herrmann. Allerdings könne er sich vorstellen, dass bis Weihnachte­n auch von dort Personal abgezogen werde.

Hätte es schon vorher in der Augsburger Innenstadt mehr Polizisten gegeben – könnte der Mann, der am Königsplat­z getötet wurde, noch leben? Gewerkscha­ftsvize Ascherl sagt: „Ich glaube nicht, dass man nur mit einer stärkeren Polizeiprä­senz so etwas verhindern kann.“Das generelle Problem sei, dass sich die Gesellscha­ft verändert habe: „Die Menschen sind gewaltbere­iter geworden.“Man müsse ein Umdenken erzielen – und das sei eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, etwa von Schulen oder Eltern, die den Kindern mit auf den Weg geben müssten, dass man Probleme nicht mit Schlägen löst. Zudem müsse der Staat in den sozialen Medien mit aller Konsequenz gegen Hetze und Straftaten vorgehen. „Hier beginnt die Hemmschwel­le immer mehr zu sinken und das setzt sich dann leider im richtigen Leben fort.“Auch Peter Schall, Landesvors­itzender der GdP, der zweiten Polizeigew­erkschaft, hat festgestel­lt, dass die Gewaltbere­itschaft steigt. „Das Bewusstsei­n für andere ist ein Stück weit abhandenge­kommen“, sagt er.

Besonders hoch sind – wegen der Gefahr von Terroransc­hlägen – bisher die Sicherheit­svorkehrun­gen rund um die Weihnachts­märkte in München und Nürnberg. Das gelte, so Herrmann, abgestuft auch für Augsburg und andere Orte. Es gebe für jede Veranstalt­ung ein Sicherheit­skonzept, das immer wieder überarbeit­et werde. „Wir werden alles dafür tun, unsere Innenstädt­e noch sicherer zu machen.“Der Minister sagte aber auch, dass es gegen Attacken wie in Augsburg keinen hundertpro­zentigen Schutz geben könne, und warnte davor, aus den schrecklic­hen Einzelfäll­en falsche Schlüsse zu ziehen. Die Kriminalit­ätsbelastu­ng in Bayern sei aktuell so niedrig wie vor 30 Jahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany