Bayern schickt mehr Polizisten in die Innenstädte
Freistaat will nach tödlicher Attacke Beamte von anderen Einsätzen abziehen
Augsburg/München Nach der tödlichen Attacke auf einen Feuerwehrmann in Augsburg hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schnelle Konsequenzen angekündigt. In den kommenden beiden Wochen werde die Polizeipräsenz rund um die großen Weihnachtsmärkte noch einmal verstärkt. Dazu werde Personal von Fußballspielen und Verkehrskontrollen abgezogen. Außerdem soll in Augsburg die Bereitschaftspolizei aushelfen. „Wir werden sichtbar mit mehr Polizei in der Innenstadt präsent sein“, sagte Herrmann.
Dass Polizisten aus anderen Bereichen abgezogen werden, ist nötig, weil die Personaldecke äußerst dünn ist. Reserven gebe es nicht, erklärt Jürgen Ascherl, Stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), unserer Redaktion. Bis zum Jahr 2023 sollen zwar 3500 zusätzliche Stellen dazukommen. „Aber im Moment sind wir im Keller“, sagt Ascherl. Hinzu kommt: Die Beamten schieben einen gewaltigen Überstundenberg vor sich her. Deswegen, sagt Ascherl, müssten Kollegen eben irgendwo abgezogen werden. Er gibt aber zu bedenken: „Wenn dann was beim Fußball passiert, heißt es: Warum waren so wenige Polizisten da?“
Die Bereitschaftspolizei ins Boot zu holen, sei richtig, sagt Ascherl. Schon vor der Kabinettssitzung am Dienstag hatte die Deutsche Polizeigewerkschaft vorgeschlagen, die bayerische Bereitschaftspolizei von den Grenzkontrollen abzuziehen und in den Innenstädten einzusetzen. Seit Dezember 2016 seien ständig drei Einsatzzüge bei drei stationären Grenzkontrollstellen gebunden. „Diese Einsatzkräfte fehlen für andere wichtige polizeiliche Unterstützungsaufgaben im Landesinnern“, kritisiert Ascherl. Es gebe keinen Grund, die Grenzkontrollen grundsätzlich infrage zu stellen, sagt Innenminister Herrmann. Allerdings könne er sich vorstellen, dass bis Weihnachten auch von dort Personal abgezogen werde.
Hätte es schon vorher in der Augsburger Innenstadt mehr Polizisten gegeben – könnte der Mann, der am Königsplatz getötet wurde, noch leben? Gewerkschaftsvize Ascherl sagt: „Ich glaube nicht, dass man nur mit einer stärkeren Polizeipräsenz so etwas verhindern kann.“Das generelle Problem sei, dass sich die Gesellschaft verändert habe: „Die Menschen sind gewaltbereiter geworden.“Man müsse ein Umdenken erzielen – und das sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, etwa von Schulen oder Eltern, die den Kindern mit auf den Weg geben müssten, dass man Probleme nicht mit Schlägen löst. Zudem müsse der Staat in den sozialen Medien mit aller Konsequenz gegen Hetze und Straftaten vorgehen. „Hier beginnt die Hemmschwelle immer mehr zu sinken und das setzt sich dann leider im richtigen Leben fort.“Auch Peter Schall, Landesvorsitzender der GdP, der zweiten Polizeigewerkschaft, hat festgestellt, dass die Gewaltbereitschaft steigt. „Das Bewusstsein für andere ist ein Stück weit abhandengekommen“, sagt er.
Besonders hoch sind – wegen der Gefahr von Terroranschlägen – bisher die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Weihnachtsmärkte in München und Nürnberg. Das gelte, so Herrmann, abgestuft auch für Augsburg und andere Orte. Es gebe für jede Veranstaltung ein Sicherheitskonzept, das immer wieder überarbeitet werde. „Wir werden alles dafür tun, unsere Innenstädte noch sicherer zu machen.“Der Minister sagte aber auch, dass es gegen Attacken wie in Augsburg keinen hundertprozentigen Schutz geben könne, und warnte davor, aus den schrecklichen Einzelfällen falsche Schlüsse zu ziehen. Die Kriminalitätsbelastung in Bayern sei aktuell so niedrig wie vor 30 Jahren.