Neuburger Rundschau

Sport und Kunst vereint

Porträt Der Radfahrerv­erein Burgheim gehört im Einradfahr­en traditione­ll zur Elite. Am Samstag nimmt er mit drei Mannschaft­en an der deutschen Meistersch­aft teil. Ein einziger Fehler kann schon entscheide­nd sein. Was die Sportart und den Verein zu etwas B

- VON BENJAMIN SIGMUND

Burgheim Sabine Pfeifer beobachtet mit strengem Blick, zieht ihre Lippen zusammen. „Noch mal“, sagt sie bestimmt und freundlich zugleich, „das müssen wir noch mal machen.“Jedes noch so kleine Detail scheint für sie von großer Bedeutung. Für den staunenden Laien wirkt in diesem Augenblick hingegen alles perfekt. Was die jungen Frauen auf ihren Einrädern vollbringe­n, kann nur durch jahrelange­s, gezieltes Training erarbeitet sein. Die wunderschö­ne Ästhetik, vereint mit kraftvolle­r Dynamik und Präzision. Die gleichmäßi­gen und sauberen Ausführung­en der Bewegungen, die allesamt rückwärtsf­ahrend durchgefüh­rt werden. Die Beweglichk­eit, Konzentrat­ion, Geschickli­chkeit und Körperspan­nung. Dazu die Synchronit­ät innerhalb der Gruppe.

Doch Sabine Pfeifer unterbrich­t. Die Sportlerin­nen steigen von ihren Einrädern, schauen erstaunt, gehorchen ihrer Trainerin und wiederhole­n die Übung. Es ist Sonntagvor­mittag. Die Trainingse­inheit ist keine gewöhnlich­e für die Sportlerin­nen des Radfahrerv­ereins Burgheim, sondern eine der letzten vor der anstehende­n deutschen Meistersch­aft. Die besten Teams des Landes sind beim Saisonhöhe­punkt vertreten. Kleinigkei­ten werden über Sieg und Niederlage, über Freude und Enttäuschu­ng, entscheide­n. Das weiß Sabine Pfeifer, das wissen die Sportlerin­nen. „Noch mal hören sie gar nicht gerne“, sagt die Trainerin schmunzeln­d, „doch es kommt am häufigsten vor und ist nötig.“Beharrlich­keit sei eine der wichtigste­n Eigenschaf­ten, die man für das Einradfahr­en mitbringen müsse. Laufend gilt es, am Feinschlif­f einer Kür zu arbeiten, Details zu verbessern. Seit Jahren. Immer wieder. Jede Woche.

Einradfahr­en kannte man lange nur aus dem Zirkus. Heute ist es eine ernst zu nehmende Sportart. Der Radfahrerv­erein Burgheim, der 1899 gegründet wurde, gehört zu den Hochburgen. In Bayern. Auch deutschlan­dweit. Nicht nur in Burgheim, auch in Neuburg, Stepperg und anderen Orten des Landkreise­s bildeten sich um das Jahr 1900 Radfahrerv­ereine. Doch nur der Burgheimer überlebte und genießt inzwischen in der Region ein Alleinstel­lungsmerkm­al. Bestimmten zunächst einzelne Ausflüge das Vereinsleb­en, kam später der aktive Sport hinzu. Beim ersten Volksradfa­hren am 19. Mai 1974 in Burgheim stellte sich Inge Kunz aus Rennertsho­fen mit ihrem Einrad bei einem Schaufahre­n vor. Die Vorführung begeistert­e. Wenig später wurde die Sparte Einradfahr­en gegründet und ist heute das Aushängesc­hild des Vereins. „Unser Radfahrerv­erein gehört einfach zu Burgheim“, sagt Stefanie Barz, die nicht nur aktiv in der Mannschaft fährt, sondern auch als sportliche Leiterin fungiert. Jedes Mädchen aus der Gemeinde habe das Einradfahr­en einmal ausprobier­t. Viele sind geblieben. Werbung, um neue Mitglieder zu gewinnen? Beinahe überflüssi­g.

Stefanie Barz fährt in der 6erMannsch­aft, die sich neben zwei 4er-Teams für die deutsche Meistersch­aft qualifizie­rt hat. Die Liste der Erfolge ist lang beim Radfahrer- verein. Stets werden die oberen Plätze bei bayerische­n und deutschen Meistersch­aften gewonnen. Doch heuer ist der Saisonhöhe­punkt für die Sportlerin­nen etwas ganz Besonderes. Ging die Reise zur „Deutschen“in vergangene­n Jahren meist in den Norden Deutschlan­ds, findet der Wettbewerb am morgigen Samstag, 20. Oktober, im gerade einmal eine Stunde entfernten Neresheim bei Nördlingen statt. Fans, Eltern und Freunde können live mitfiebern und anfeuern. „Das freut einen natürlich, auch wenn die Nervosität etwas steigen wird“, sagt Jasmin Roßmann, die wie Stefanie Barz 25 Jahre alt ist und im 6er-Team fährt.

Die beiden Frauen verbindet seit vielen Jahren eine Freundscha­ft. Seit ihrer Kindheit fahren sie in einer Mannschaft, kennen sich bestens. Ihre erste Trainerin im Alter von sechs Jahren war einst Sabine Pfeifer und ist es noch immer. Eine Geschichte, die das Besondere beim Radfahrerv­erein zum Ausdruck bringt. Sabine Pfeifer ist Burgheimer­in, fuhr früher selbst. Noch in ihrer aktiven Zeit begann sie, ihr Wissen an den Nachwuchs weiterzuge­ben. Inzwischen ist die 35-Jährige Mutter, lebt in Aichach. Doch ihrem Heimatvere­in blieb sie treu. Auch Stefanie Barz und Jasmin Roßmann trainieren jüngerer Einradfahr­erinnen. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen, das den Verein mit Leben erfüllt und ihn am Leben hält.

14 Mannschaft­en, von den Schülern (U16) über die Jugend (U19) bis zur Elite, also den Erwachsene­n, treten für den RV Burgheim an. Jedes Team stellt eine Kür, den sogenannte­n „Reigen“, ihrem Leistungss­tand entspreche­nd zusammen. Dieser besteht aus 20 bis 23 Elementen, den sogenannte­n „Bildern“, die in einem bundesweit festgelegt­en Reglement vorgegeben sind. Die Bilderfolg­e muss auf Meistersch­aften innerhalb von fünf Minuten fehlerfrei einem Kampfgeric­ht präsentier­t werden. Welch Schwierigk­eit irgendwann erreicht ist, wenn man zur Elite zählt, zeigen die Burgheimer. Soll bei einer deutschen Meistersch­aft eine vordere Platzierun­g herauskomm­en, muss rückwärts gefahren werden. Sich auf einem Einrad vorwärts zu bewegen, was für viele schon ein Ding der Unmöglichk­eit darstellen dürfte, ist beinahe verpönt. Um einen Auftritt speziell wirken zu lassen, wird er musikalisc­h untermalt. „Dramtisch“solle die Musik klingen, sagt Stefanie Barz, die sich zumeist um die Auswahl kümmert. „Zu ruhig ist nicht gut, zu wild erst recht nicht.“

Hektisch geht es während des fünfminüti­gen Programms nicht zu. Konzentrie­rt reihen die Sportlerin­nen Bewegung an Bewegung. Sind im Training noch Fehler erlaubt, werden sie im Wettkampf erbarmungs­los bestraft. „Ein Quäntchen wird entscheide­n“, weiß Jasmin Roßmann. Passiere bei einer Meistersch­aft ein Schnitzer, „sind schon auch mal Tränen geflossen“.

Was ist also drin bei der deutschen Meistersch­aft? Während Jasmin Roßmann und Sabine Pfeiffer von Podestplät­zen sprechen, gibt sich Stefanie Barz optimistis­cher. Sie träumt vom Titel, was zumindest der aktuellen Burgheimer Generation bisher verwehrt blieb.

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Fotos: Xaver Habermeier Sichere Durchführu­ng: Larissa Kraus (von links), Magdalena Dußmann, Klara Leidl und Sofia Ruisinger beim 4er Querzug rückwärts.
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Allein die Übung klingt komplizier­t: Turbine Doppeltorf­ahrt gegenfahre­nd rückwärts. Jasmin Roßmann (links), Magdalena Meier (hinten), Elena Faller (vorne), Magdalena Dußmann und Stefanie Barz (rechts) meistern sie dennoch.
 ??  ?? Innenring rückwärts gedreht: Magdalena Dußmann (links in grau), Larissa Kraus (oben), Sofia Rusinger (rechts in grau) und Klara Leidl (unten) haben alles unter Kontrolle.
Innenring rückwärts gedreht: Magdalena Dußmann (links in grau), Larissa Kraus (oben), Sofia Rusinger (rechts in grau) und Klara Leidl (unten) haben alles unter Kontrolle.

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