Degenkolb bricht den Bann
Erster deutscher Tour-Etappensieg in diesem Jahr. Zahlreiche Stürze prägten das Wochenende
Roubaix John Degenkolbs Sieg und dramatische Sturzserien haben das Roubaix-Spektakel am zweiten Tour-Wochenende geprägt. Im sechsten Jahr klappte es endlich mit dem ersten Tour-Etappensieg Degenkolbs. Mitfavorit Richie Porte musste dagegen auf der neunten Etappe mit Verdacht auf Schlüsselbeinbruch aufgeben. Der verletzte Tony Martin hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seine Heimreise von der 105. Tour de France angetreten.
Direkt neben dem altehrwürdigen Velodrom siegte Degenkolb, der am Sonntag mit Tränen in den Augen durchs Ziel fuhr, nach 156,6 Kilometern vor Greg Van Avermaet und seinem belgischen Landsmann Lampaert. Bei einem schweren Unfall im Januar 2016 war Degenkolb schwer verletzt worden, die Karriere des Trek-Segafredo-Profis hatte am seidenen Faden gehangen. Umso größer war jetzt die Freude: „Es ist so schwer, das jetzt in Worte zu fassen. Ich habe eine unfassbar schwere Zeit hinter mir. Meine Familie stand immer hinter mir, und es ist das Beste, was es gibt, und das Schönste auf der Welt, dass ich ihr das jetzt zurückgeben kann.“Degenkolb gewann den Spurt des Trios, das sich auf der drittletzten Kopfsteinpflaster-Passage abgesetzt hatte, aus der ungünstigen Spitzenposition. Van Avermaet baute seinen Vorsprung an der Spitze des Gesamtklassements als Etappen-Zweiter aus.
Viele Fahrer gingen beim Roubaix-Wahnsinn über 21,7 Kilometer Buckelpiste zu Boden. Von den Topfavoriten kamen der ebenfalls gestürzte viermalige Toursieger Chris Froome, Tom Dumoulin und Vincenzo Nibali am besten mit den widrigen Umständen zurecht. Mitfavorit Romain Bardet verlor dagegen durch drei Defekte wertvollen Boden, genau wie der Spanier Mikel Landa durch einen Sturz.
Der Australier Porte musste wie 2017 die Tour vorzeitig verlassen. Bei einem Massensturz 37 Kilometer vor dem ersten Sektor des gefürchteten Kopfsteinpflasters schied der große Herausforderer des viermaligen Toursiegers Froome aus.
Zu diesem Zeitpunkt war der am Vortag gestürzte Martin mit einem Rückenwirbel-Bruch schon auf der Heimreise. „Weiterzufahren wäre nicht zu verantworten gewesen. Die Entscheidung fiel mir sehr schwer, die Roubaix-Etappe war eigentlich mein Tour-Highlight“, sagte Martin. „Ich bin mit großer Geschwindigkeit auf Kopf und Rücken gefallen – mehr oder weniger ungebremst.“
Angesichts der Dramatik der neunten Etappe waren die Aufregung im Team von Marcel Kittel und die Jury-Bestrafung gegen André Greipel in den Hintergrund gerückt. Altmeister Greipel fand sich nur schwer mit seiner Zurücksetzung von Rang zwei auf Platz 92 wegen seines Gerangels mit dem drittplatzierten Fernando Gaviria im Schlussspurt der achten Etappe ab. Er fühlte sich „um den Etappensieg beraubt“. Den hatte sich in Amiens der Niederländer Dylan Groenewegen gesichert. Kittel hatte dessen Teamleitung Egoismus und zu wenig Effektivität vorgeworfen. Sein Manager Jörg Werner will am Ruhetag in Albertville in einem gemeinsamen Gespräch versuchen, die Gemüter zu beruhigen.
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