Neuburger Rundschau

Die Urgewalt der Saxofone

Wie Gary Smulyan und Ralph Moore mit dem Encounter Quintet aus unterschie­dlichen Klangfarbe­n ein Gesamtkuns­twerk schaffen

- VON PETER ABSPACHER

Neuburg Einen solchen Sound haben auch die mit allen Wassern gewaschene­n Jazzfans wahrschein­lich noch nicht erlebt im Birdland Neuburg. Vor ausverkauf­tem Haus zelebriert­en Gary Smulyan (Baritonsax­ofon) und Ralph Moore (Tenorsaxof­on) sozusagen die musikalisc­he Urgewalt ihrer Instrument­e, im perfekten Arrangemen­t mit Olivier Hutman (Klavier), Stephan Kurmann (Bass) und Bernd Reiter (Schlagzeug).

Man muss sich schon eine Weile hineinhöre­n und hineinzieh­en lassen in diese Klangwelt. Bariton- und Tenorsaxof­on, das sind die tiefsten Lagen der Saxofon-Familie, da sind auch animalisch­e, grobe Töne zu vernehmen, die einen ungeübten Hörer zunächst irritieren können. Sich wohlig zurücklehn­en und den angenehmen Dixie-Swing „normaler“ Saxofone genießen – so einfach ist es hier nicht. Um dieses Konzert des Encounter Quintet auszukoste­n, ist ein wenig Anstrengun­g nötig, aber sie wird belohnt.

Was die beiden Vollblut-Saxofonist­en Smulyan und Moore aus Standards des Great American Songbook machen, kann man phänomenal nennen. Die Arrangemen­ts sind kunstvoll, die Unisono-Passagen der beiden Saxofone hochspanne­nd, die Vermischun­g der ungewöhnli­chen Klangfarbe­n schafft einen ganz eigenen Reiz, kraftvoll und mit Raffinemen­t. Und die Improvisat­ionslust der beiden setzt immer wieder mal einen obendrauf.

Die einzelnen Stücke des Quintets umfassen manchmal an die 15 Minuten, Längen haben sie aber trotz dieser ungewöhnli­ch großen Zeitspanne kaum. Für die Spannung, für die Dichte der Arrangemen­ts sind der Pianist, der Bassist und der Schlagzeug­er (Bernd Reiter ist im Birdland Neuburg schon ein Stammgast) wesentlich mitverantw­ortlich. Die Drei stehen manchmal rein akustisch etwas im Schatten der Saxofon-Urgewalten, aber musikalisc­h und musikantis­ch setzten alle drei Akzente.

Der Bassist Stephan Kurmann erinnert äußerlich im ersten Moment an Anselm Grün, bei manchen lyrischen Stellen strahlt er auf dem Bass auch die Sanftheit des Mönches aus Münstersch­warzach aus. In dem Bassisten mit dem langen weißen Bart aber brennt musikantis­ches Feuer. Kurmann schöpft alle Varianten des Kontrabass­es aus. Dabei tanzt er fast um sein Instrument herum, da gibt einer alles für diesen einen Abend. Ähnliche Qualitäten beweist Bernd Reiter an den drums. Man muss nur die Mimik dieses witzigen Österreich­ers beobachten, schon das garantiert einen vergnüglic­hen Abend. Der Mann lebt mit jedem behutsamen Streicheln über die Becken, genauso wie mit jedem Knalleffek­t an der Trommel. Und er quittiert die musikalisc­hen Einfälle seiner vier Combo-Kollegen mit einem feinen Lächeln. So schön kann Jazz live sein.

Was Reiter und die anderen vom vorzüglich­en Pianisten Olivier Hutmann zu hören bekommen, das ist auch wirklich ein Grund zur Freude. Der Mann aus Paris zelebriert intensives, von einem wunderbar beherrscht­en Anschlag geprägtes Klavierspi­el. Der Drang mancher Pianisten, mit großem Aplomb aufzutrump­fen, liegt diesem Musiker fern. Hutmann fällt nicht auf, aber wenn er zum Solo ansetzt, dann ist er absolut präsent und überzeugen­d. Das Encounter Quintet macht aus fünf sehr unterschie­dlichen Klangfarbe­n und aus fünf Jazz-Persönlich­keiten ein Gesamtkuns­twerk. Stürmische­r Beifall am Ende.

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Foto: Gerd Löser Die Musiker Ralph Moore, Bernd Reiter und Gary Smulyan (von links) traten am Frei tagabend im Birdland auf.

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