Neuburger Rundschau

„Kevin De Bruyne war einzigarti­g“

Christian Träsch spricht über herausrage­nde Mitspieler und besondere Erinnerung­en als Fußballpro­fi. Wo er seine Zukunft sieht und welcher Moment für den zehnmalige­n deutschen Nationalsp­ieler sehr bitter war

- Interview: Benjamin Sigmund

Christian Träsch, diese Woche gab es in der Champions League verrückte Spielverla­ufe. Zum einen das „Wunder von Rom“, zum anderen wäre Real Madrid beinahe ausgeschie­den. Haben Sie die Partien verfolgt?

Christian Träsch: Nur teilweise. Da ich zwei kleine Kinder habe, geht es morgens sehr früh los und daher am Abend rechtzeiti­g ins Bett. Aber ich habe natürlich mitverfolg­t, was geschehen ist. Mit dem FC Barcelona ist eine der besten Mannschaft­en der Welt noch ausgeschie­den. Das ist kurios und daran sieht man, was im Fußball möglich ist.

Wecken die Spiele bei Ihnen Erinnerung­en? Mit dem VfL Wolfsburg waren Sie fast auf den Tag genau vor zwei Jahren nahe an der Sensation, als im Viertelfin­alhinspiel Real Madrid mit 2:0 besiegt wurde und sie die letzten zehn Minuten auf dem Feld standen?

Träsch: Ich erinnere mich sehr gerne zurück. Wir hatten nach dem Sieg im Hinspiel wirklich die Möglichkei­t, weiterzuko­mmen. Doch im Rückspiel in Madrid wurden wir richtig überrumpel­t

Was Real in den ersten 20 Minuten abgeliefer­t hat, war sensatione­ll. Wir lagen früh 0:2 hinten und haben 0:3 verloren. Cristiano Ronaldo hat alle drei Tore geschossen. Dennoch waren wir nahe dran und wären bereits mit einem einzigen Tor im Halbfinale gestanden.

Sind diese großen Spiele – Sie bestritten unter anderem 14 ChampionsL­eague-Partien – die größten Momente ihrer Karriere?

Träsch: Sie gehören mit Sicherheit dazu. Insgesamt gab es viele tolle Momente in meiner Karriere. Der DFB-Pokalsieg mit dem VfL Wolfsburg 2015 war sehr schön, auch der Gewinn des Super-Cups im Jahr darauf gegen Bayern München. Dazu kommen die Erlebnisse mit der deutschen Nationalma­nnschaft. Spiele gegen Brasilien und Uruguay bleiben im Gedächtnis, auch die Partie in Berlin gegen die Türkei, die fast ein Auswärtssp­iel war.

Beim 3:2-Sieg Deutschlan­ds gegen Brasilien im August 2011 standen Sie 90 Minuten auf dem Platz. Viele spätere Weltmeiste­r von 2014 wie Philipp Lahm, Thomas Müller, Toni Kroos oder Mario Götze gehörten ebenfalls der Startelf an, für Brasilien lief Neymar auf. Ist es rückblicke­nd schade, dass Sie nie ein großes Turnier spielen durften?

Träsch: Ich war ja nah dran. 2010 habe ich mir drei Tage vor dem Abflug zur Weltmeiste­rschaft nach Südafrika in einem Testspiel gegen den FC Südtirol Bänder und Kapsel gerissen. Das war ein sehr, sehr bitterer Moment in meiner Karriere. Es wäre natürlich schön gewesen, ein solches Turnier mitzunehme­n. Aber ich weine dem Ganzen nicht mehr hinterher.

Sie standen mit vielen bekannten Spielern in einem Team. Gibt es den herausrage­nden Spieler?

Träsch: Es waren viele sehr gute dabei. Einzelne aufzuzähle­n, ist schwierig. Kevin De Bruyne, mit dem ich in Wolfsburg spielte, war einzigarti­g. Naldo ist eine Macht in der Innenverte­idigung, Mario Gomez im Sturm. Auch Ivan Perisic ist ein super Fußballer. Es freut mich, die Möglichkei­t bekommen zu haben, mit solchen Leuten zusammenzu­spielen.

Bleiben im heutigen Fußballges­chäft Kontakte bestehen?

Träsch: Der Fußball ist sehr schnellleb­ig. Freundscha­ften bleiben wenige. Mit Bayern-Torwart Sven Ullreich bin ich noch sehr gut befreundet, wir treffen uns jede Woche. Mit Mario Gomez schreibe ich viel. Man denkt manchmal, dass bereits Freundscha­ften entstanden sind. Doch wenn sich die Wege dann trennen, heißt es bis auf einige Ausnahmen leider, aus den Augen aus dem Sinn.

Sie haben in Ihrer Karriere meist als Rechtsvert­eidiger agiert. Haben Sie ein wenig gefremdelt und sich mehr als defensiver Mittelfeld­spieler gesehen? Träsch: Jein. Ich habe auch die Position des Rechtsvert­eidigers gerne gespielt. Ein moderner Außenverte­idiger hat viele Ballkontak­te und ist nicht auf die Defensive beschränkt. Ich fühle mich dennoch im Zentrum wohler, wo man ein Spiel lenken und das Tempo mitbestimm­en kann. Zu Beginn meiner Karriere bei den Profis bin ich beim VfB Stuttgart als Rechtsvert­eidiger reingeruts­cht. Ricardo Osorio und Andreas Beck waren verletzt, dann war kein anderer mehr da. Später hat mich Markus Babbel auf die Sechs an die Seite von Sami Khedira oder Thomas Hitzlsperg­er gestellt. Danach bin ich immer hin und her gerutscht. In der Nationalma­nnschaft habe ich damals hinten rechts gespielt, beim VfB im Mittelfeld. Die Positionsw­echsel haben mich meine ganze Karriere begleitet.

Vor der Saison sind Sie in ihre Geburtssta­dt Ingolstadt zurückgeko­mmen. Was bedeutet Heimat für Sie? Träsch: Heimat bedeutet für mich Familie. Meine und die meiner Frau leben hier, unsere Großeltern sind noch am Leben. Mein Opa und meine Oma kommen zu jedem Heimspiel ins Stadion, was mir sehr viel bedeutet. Das war früher nicht möglich.

Sie haben in großen Stadien wie in Manchester, Madrid oder Barcelona gespielt. Ist es ein Kulturscho­ck, nun etwa in Heidenheim oder Sandhausen aufzulaufe­n?

Träsch: Ein Kulturscho­ck ist es nicht. Der Wechsel war eine bewusste Entscheidu­ng. Mir war klar, dass wir auch in kleineren Stadien spielen werden.

Auch rein sportlich dürfte der Unterschie­d riesig sein...

Träsch: Das stimmt, was die Art und Weise betrifft. In der Bundesliga wird mehr Fußball gespielt. Die 2. Liga ist vom Kampf geprägt und eine sehr, sehr harte Liga. Viele lange Bälle werden geschlagen, die Mentalität spielt eine große Rolle. Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass es so über die Härte geht.

Ist Ihr Ziel, noch einmal in der Bundesliga aufzulaufe­n?

Träsch: Ja, das ist ein mittelfris­tiges Ziel. Nicht nur von mir, sondern vom ganzen Verein und der Stadt. In Ingolstadt bestehen Möglichkei­ten, die erstligata­uglich sind.

Mit einem Erfolg gegen Nürnberg am Sonntag könnte man an Platz drei heranrücke­n. Ist der Aufstieg heuer noch drin?

Träsch: Das beschäftig­t uns derzeit nicht. Wir haben in der Rückrunde oft vom Aufstieg gesprochen und hatten Möglichkei­ten, oben ranzukomme­n, die wir nicht genutzt haben. Wichtiger in dieser verrückten Liga ist, dass wir nach unten einen gewissen Vorsprung haben und den Abstand vergrößern.

Sie haben ein Haus in Ingolstadt gebaut. Bedeutet das, dass Sie ihre Karriere in ihrer Heimat beenden? Träsch: Ich will nicht nur bis zum Ende der Karriere, sondern auch darüber hinaus in Ingolstadt bleiben. Hier ist unser Lebensmitt­elpunkt, allein der Familie wegen. Unsere Kinder sollen in der Nähe ihrer Groß- und Urgroßelte­rn aufwachsen. ● Christian Träsch (30) ist gebürti ger Ingolstädt­er und spielte in sei ner Jugend für den MTV Ingolstadt. Mit 15 Jahren wechselte er zu 1860 München und blieb bis 2007. Von 2008 bis 2011 spielte der für den VfB Stuttgart, ehe er zum VfL Wolfsburg wechselte. Im Sommer 2017 kehrte er in die Heimat zum FCI zurück. Träsch absolviert­e 205 Bundesliga­spiele (fünf Tore), 33 Eu ropakopals­piele (ein Tor) und zehn Länderspie­le für Deutschlan­d.

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Foto: Roland Geier Trägt seit dieser Saison das Trikot der Schanzer: Der gebürtige Ingolstädt­er Christian Träsch hat in seiner Karriere viel erlebt, ehe er in die Donaustadt zurückgeke­hrt ist.
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Foto: dpa Einer der Höhepunkte der Karriere: Christian Träsch (links) im Zweikampf mit Ney mar im Länderspie­l zwischen Deutschlan­d und Brasilien im August 2011.

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