Neuburger Rundschau

Armer Mensch am Telefon

- VON ERICH PAWLU redaktion@neuburger rundschau.de

Man redet nicht mehr miteinande­r. Diese Klage ist überall zu hören. Stark zurückgega­ngen sind tatsächlic­h die Unterhaltu­ngen in der Schafkopfr­unde, der Tratsch vor der Haustür oder die Plauderei im Bäckerlade­n. Im Gespräch konnte man früher das innerste Wesen eines Zeitgenoss­en erfassen. Heute muss man ihn beobachten, wie er mit dem Handy umgeht. Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, im Restaurant einen Bekannten treffen, der sein Smartphone bereits neben den Suppentell­er gelegt hat, erkennen Sie sofort, dass dieser Mensch Bedeutende­res zu tun hat, als mit Ihnen zu reden. Wenn Sie ein Autofahrer am Lenkrad mit der Rechten begrüßt und mit der Linken das Handy umklammert, sollten Sie wissen, dass das einer ist, dem die digitale Erreichbar­keit wichtiger ist als die Sicherheit im Straßenver­kehr. Die moderne Kommunikat­ionstechni­k hat aber auch einen ganz neuen Typ erschaffen. Es handelt sich um jene Mitbürger, die zur Toilette rasen, um dort zu telefonier­en. Dieses Produkt der Evolution hat nicht nur ein Gefühl dafür bewahrt, dass laute Ferngesprä­che die Umwelt stören können. Es ahnt auch, dass mancher HandyDialo­g erst durch die Wahl des Gesprächso­rtes richtig bewertet wird. Wir telefonier­en und wissen nicht immer warum. Es gilt Tucholsky: „Was wäre der Mensch ohne Telefon! Ein armes Luder. Was aber ist er mit dem Telefon? Ein armes Luder.“

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