Wie sich ein Leben mit Handicap anfühlt
Aktionstag An der Paul-Winter-Realschule lernen die Schüler der sechsten Klassen kennen, wie knifflig der Alltag mit einer Behinderung sein kann. Und dass das kein Makel sein muss
„Unbehindert miteinander“, so lautete jetzt schon im dritten Jahr der Aktionstag für die sechsten Klassen der Paul-WinterSchule. An fünf verschiedenen Stationen lernen 91 Schüler, wie es ist, sich mit einer Behinderung im Alltag zu bewegen.
Organisatoren des Projekts sind die Religionslehrer an der PaulWinter-Schule. Ihr Anliegen ist es, bei den Kindern das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es weder selbstverständlich ist, gesund zu sein, noch ein Makel, mit einer Einschränkung zu leben. Am besten lernen Kinder dies durch eigene Erfahrungen.
Körperliche Anstrengung ist beispielsweise im Schulhof gefragt. Dort lässt der Paralympics-Sieger von Nagano im Skifahren, Gustav Gross, die Schüler in Rollstühlen Basketball spielen oder durch einen Parcours mit Schwellen und Steigungen fahren. Die Schüler erkennen sehr schnell, dass der Rollstuhl kein Spielgerät ist, sondern ein wichtiges Hilfsmittel zur Fortbewegung.
Währenddessen lauscht eine andere Gruppe den Worten von Tanja Riedel, Leiterin des Fachdienstes Inklusion der Stiftung St. Johannes aus Schweinspoint. Sie vermittelt eindrucksvoll, wie es Menschen mit Handicaps mit dem Verständnis von Sprache ergeht. Die Schüler können hier an kleinen Rätseln selbst ihr Sprach- und Verständnisvermögen testen und erkennen schnell, welche Erleichterungen gute Piktogramme und Symbole bringen können.
Wie es ist, mit einer Behinderung zu leben, darüber berichtet Familie Harsch, eine ganz besondere Familie. Während beide Elternteile gehörlos sind, kann Sohn Sebastian jedes gesprochene Wort gut hören. Das wirft Fragen bei den Schülern auf, von denen viele an diesem Projekttag zum ersten Mal in ihrem Leben auf gehörlose Menschen treffen: Wie lernt man, wenn man nichts hören kann? Wie verständigt man sich? Und darf man so überhaupt Auto fahren? Familie Harsch beantwortet die Fragen liebend gerne. Über eine Gebärdensprache-Dolmetscherin und Sozialpädagogin des Gehörlosenvereins Ingolstadt teilt sie mit, dass es ihr ein Anliegen sei, aufzuklären und Berührungsängste abzubauen.
Den größten Kuschelfaktor bot Maya, eine Blindenführhündin. Mit stoischer Gelassenheit und Zutraulichkeit gewann sie im Flug die Herzen aller Schüler. Ihre Besitzerin erzählte aus ihrem Alltag und den Aufgaben, die Maya dabei für sie übernehmen kann. Aber auch die jungen Männer wurden von ihr eingespannt und konnten gleich in der Praxis einüben, wie man blinde Personen richtig führt und sie sicher zu einem Stuhl geleiten kann.
In der fünften Lernstation war erneut die Praxis gefragt. Hier konnten die Schüler am eigenen Leib erfahren, wie es ist, mit verschiedenen körperlichen Handicaps umzugehen. Einhändig Schuhe binden – gar nicht so einfach. Auf Krücken fortbewegen, den Anzug tragen, der mittels Gewichten und einer Brille die Gebrechlichkeit des Alters simuliert – ganz schön anstrengend. Verschiedenste Gegenstände in Fühlkästen ertasten und richtig erkennen – wirklich knifflig.
Das Resümee der Schüler, der betroffenen Experten und der Lehrkräfte lautet unisono: Dieser Aktionstag ist für die Paul-WinterSchule und ihre Schüler ein großer Gewinn, die soziale Kompetenz der Schüler wird gestärkt und das Gespür dafür, dass allen Menschen die gleiche Würde zusteht, ist geweckt. Denn die Paul-Winter-Schule ist nicht zu Unrecht eine Schule mit dem Profil Inklusion.