Über drei Pop-Schönlinge
Castingshows sind so was von 2004. Der Popstar von morgen lädt erstmal ein „Bewerbungsvideo“auf YouTube hoch. Hier drei Beispiele.
Justin Bieber ist wohl der erfolgreichste Sänger, der Youtube seine Karriere verdankt. 2007 begann seine Mutter, Videos ihres Sohns hochzuladen. Zehn Jahre später ist er der einzige Musiker, der vier Videos mit über einer Milliarde Aufrufe hat. Sein „Baby“-Video war in der alten Zeitrechnung vor „Gangnam Style“das meistgeklickte und hat bis heute überwiegend Dislikes.
Allerdings sind die Zeiten, als der Bieber Lästerthema Nummer eins auf den Pausenhöfen der westlichen Hemisphäre war, längst vorbei. Mit seinem Album „Purpose“(zu Deutsch: „Bestimmung“) transformierte er sein Image vom unreifen Schnösel zum reifen Schnösel, der auch mal „Sorry“sagen kann. Ein Blick auf seine alte YouTube-Filmographie bringt zwei Erkenntnisse: Der Kopf des Biebers durfte bei der Pubertät nicht mitmachen und: Seine Stimme war vor zehn Jahren bereits klar und sicher.
Wie der Bieber kommt auch sein wangenknochenoptimierter Nachfolger Shawn Mendes aus Kanada. Der ist ein waschechter InternetStar: Er promotete sich derart erfolgreich, dass er bereits Millionen von Fans hatte, bevor überhaupt ein Song von ihm im Radio gelaufen war. Die Songs „Stitches“und „Treat You Better“liefen die vergangenen Monate rauf und runter. Sein aktueller Hit heißt „There’s Nothing Holdin’ Me Back“und bietet typischen Shawn-Mendes-Sound: Ein akzentuierter Akustikgitarrenriff, eine stampfende Bassdrum und natürlich Shawns mal sahnig-ölig schnurrende, mal liebeskrank aufschreiende Stimme. Die hatte er auch schon, als er in einem seiner ersten bekannten Videos „Hometown Glory“von Adele coverte. Der damals erst 14-jährige Shawn lässt sich auch von der wackeligen Klavierbegleitung nicht aus der Ruhe bringen.
„Let’s Marvin Gaye and get it on“sang Charlie Puth 2015 mit Meghan Trainor, und Millionen hörten zu. Die Karriere des US-Amerikaners mit der charakteristischen Augenbraue begann ebenfalls mit einem Adele-Song: 2011 lud er zusammen mit Emily Luther ein Cover von „Someone Like You“hoch, auf das die US-Talkmasterin Ellen DeGeneres aufmerksam wurde. Von da war es nur noch ein kurzer Weg zum ersten Plattenvertrag.
Charlies Karriere hat in den vergangenen zwei Jahren Fahrt aufgenommen. A propos Fahrt: Das Video zu seinem Song „See You Again“für den siebten Fast-and-FuriosFilm hat auf YouTube 2,7 Milliarden Aufrufe. Nur „Gangnam Style“hat natürlich mehr. Anders als bei Justin Bieber und Shawn Mendes sucht man auf YouTube alte Clips wie das Originalvideo des Adele-Covers vergeblich. Sie erschienen seinem Management wohl unvorteilhaft für sein neues Image. Wie gut aber, dass Internet-Perlen wie sein Glockenspiel-Cover von 50 Cents verruchtem Song „Candy Shop“mittlerweile von anderen Usern wieder hochgeladen wurden.
Und damit wäre bewiesen, Castingshows sind so was von 2004.