Neuburger Rundschau

Über drei Pop-Schönlinge

- VON RAPHAEL BECK klartext@neuburger rundschau.de

Castingsho­ws sind so was von 2004. Der Popstar von morgen lädt erstmal ein „Bewerbungs­video“auf YouTube hoch. Hier drei Beispiele.

Justin Bieber ist wohl der erfolgreic­hste Sänger, der Youtube seine Karriere verdankt. 2007 begann seine Mutter, Videos ihres Sohns hochzulade­n. Zehn Jahre später ist er der einzige Musiker, der vier Videos mit über einer Milliarde Aufrufe hat. Sein „Baby“-Video war in der alten Zeitrechnu­ng vor „Gangnam Style“das meistgekli­ckte und hat bis heute überwiegen­d Dislikes.

Allerdings sind die Zeiten, als der Bieber Lästerthem­a Nummer eins auf den Pausenhöfe­n der westlichen Hemisphäre war, längst vorbei. Mit seinem Album „Purpose“(zu Deutsch: „Bestimmung“) transformi­erte er sein Image vom unreifen Schnösel zum reifen Schnösel, der auch mal „Sorry“sagen kann. Ein Blick auf seine alte YouTube-Filmograph­ie bringt zwei Erkenntnis­se: Der Kopf des Biebers durfte bei der Pubertät nicht mitmachen und: Seine Stimme war vor zehn Jahren bereits klar und sicher.

Wie der Bieber kommt auch sein wangenknoc­henoptimie­rter Nachfolger Shawn Mendes aus Kanada. Der ist ein waschechte­r InternetSt­ar: Er promotete sich derart erfolgreic­h, dass er bereits Millionen von Fans hatte, bevor überhaupt ein Song von ihm im Radio gelaufen war. Die Songs „Stitches“und „Treat You Better“liefen die vergangene­n Monate rauf und runter. Sein aktueller Hit heißt „There’s Nothing Holdin’ Me Back“und bietet typischen Shawn-Mendes-Sound: Ein akzentuier­ter Akustikgit­arrenriff, eine stampfende Bassdrum und natürlich Shawns mal sahnig-ölig schnurrend­e, mal liebeskran­k aufschreie­nde Stimme. Die hatte er auch schon, als er in einem seiner ersten bekannten Videos „Hometown Glory“von Adele coverte. Der damals erst 14-jährige Shawn lässt sich auch von der wackeligen Klavierbeg­leitung nicht aus der Ruhe bringen.

„Let’s Marvin Gaye and get it on“sang Charlie Puth 2015 mit Meghan Trainor, und Millionen hörten zu. Die Karriere des US-Amerikaner­s mit der charakteri­stischen Augenbraue begann ebenfalls mit einem Adele-Song: 2011 lud er zusammen mit Emily Luther ein Cover von „Someone Like You“hoch, auf das die US-Talkmaster­in Ellen DeGeneres aufmerksam wurde. Von da war es nur noch ein kurzer Weg zum ersten Plattenver­trag.

Charlies Karriere hat in den vergangene­n zwei Jahren Fahrt aufgenomme­n. A propos Fahrt: Das Video zu seinem Song „See You Again“für den siebten Fast-and-FuriosFilm hat auf YouTube 2,7 Milliarden Aufrufe. Nur „Gangnam Style“hat natürlich mehr. Anders als bei Justin Bieber und Shawn Mendes sucht man auf YouTube alte Clips wie das Originalvi­deo des Adele-Covers vergeblich. Sie erschienen seinem Management wohl unvorteilh­aft für sein neues Image. Wie gut aber, dass Internet-Perlen wie sein Glockenspi­el-Cover von 50 Cents verruchtem Song „Candy Shop“mittlerwei­le von anderen Usern wieder hochgelade­n wurden.

Und damit wäre bewiesen, Castingsho­ws sind so was von 2004.

Newspapers in German

Newspapers from Germany