Pessimist werden oder doch Optimist bleiben?
IHK Empfang Was ein Unternehmer und ein Historiker in Zeiten von Trump und Brexit raten
„Ungewissheit“ist eines der Worte des Winters. Ungewissheit über die Rolle der USA unter einem unberechenbar wirkenden Präsidenten Trump. Und Ungewissheit über die Folgen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. Für Unternehmer und Beschäftigte gibt es mehr als genug Gründe, sich doch vom Optimisten zum Pessimisten zu wandeln.
Wie fällt also das Stimmungsbild unter Firmen-Inhabern und Managern unserer Region aus? Der Neujahrsempfang der schwäbischen Industrieund Handelskammer (IHK) ist dafür ein gutes MeinungsBarometer. Wenn sich wie am Dienstagabend gut 1000 FirmenVertreter und Politiker in Augsburg versammeln, baut sich nach Reden und Gesprächen ein Stimmungsbild auf. Bei der gestrigen Veranstaltung wurde es vor allem von zwei Männern geprägt, dem Unternehmer und schwäbischen IHK-Präsidenten Andreas Kopton und dem renommierten deutschen Historiker Andreas Wirsching, der früher auch in Augsburg gelehrt hat.
Ersterer könnte nun nach Brexit, Trump und anderen Kampfansagen an den für Unternehmer so wichtigen Freihandel langsam in das Lager der Pessimisten überlaufen. Kopton ist bekanntlich ein hartnäckiger Optimist, der in den Jahren 2008 und 2009, als die Finanzmarktkrise Europa im Würgegriff hielt, auf seiner These beharrte, dass auf Schatten immer wieder Licht folge. So sagte der IHK-Chef jetzt unserer Zeitung in bekannt optimistischer Sturheit: „Nach wie vor können wir uns über eine gute konjunkturelle Lage freuen. Der Ausblick ist hervorragend.“
Kopton kann sich dabei auf eine aktuelle IHK-Umfrage unter heimischen Unternehmern stützen. Demnach befindet sich die schwäbische Wirtschaft weiter im Höhenflug. Knapp ein Fünftel der FirmenChefs will sogar mehr Mitarbeiter einstellen. Vieles spricht also dafür, dass der Aufschwung in der Region trotz Trump und Brexit zumindest erst einmal weitergeht. Warum also Pessimist werden? Vielleicht, weil Deutschland auf einen Umbruchprozess zusteuert, der den erreichten Wohlstand gefährden könnte.
Professor Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München, schilderte einen solchen dramatischen Umwälzungsprozess, der in den 90er Jahren seinen Ausgang nahm. Seitdem stiegen hierzulande Konzerne, aber auch Mittelständler zu Gewinnern der Globalisierung auf. Hier sind – diagnostiziert der Historiker – Demokratie, Liberalismus, Rechtsstaat und Wohlstand nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Osteuropa eine organische Verbindung eingegangen.
Doch für Wirsching besteht die Gefahr, dass am Ende vielleicht sogar der Zusammenbruch der liberalen Weltordnung droht. Gerade deutsche Globalisierungsgewinner würden unter Protektionismus, also der Abkehr vom Freihandel leiden. Diese Gefahr ist mittlerweile real. Denn Trump und seine Anhänger wollen zurück in ein heiles Land der 50er Jahre, wo Amerikaner amerikanische Produkte kauften. Was Wirsching sorgenvoll stimmt: „Es gibt einen neuen Extremismus der Mitte, in dem respektable Mitglieder der Mittelschicht für rechte Parolen offen sind.“Daraus spricht für den Historiker eine Überbeanspruchung vieler durch die „Zumutungen der Globalisierung“. Manch Bürger sei eben überfordert mit den Zwängen der modernen Arbeitswelt. Viele schafften es nicht, flexibler zu werden und den technologischen Wandel zu bewältigen.
Müssen Optimisten im Trumpund Brexit-Zeitalter also doch zum Pessimisten umschulen? Ist es höchste Zeit für Kopton, die Kurve zu kriegen? Wirsching rät davon ab: „Wir sollten uns nicht vom grassierenden Pessimismus überwältigen lassen.“Dafür nimmt der Historiker neben Politikern aber die Unternehmer in die Pflicht. Sie hätten die Aufgabe, Menschen, die sich durch die Globalisierung überfordert fühlen, zu entlasten. Wie das konkret geschehen soll, blieb indes offen.