Neubrandenburger Zeitung

Fünfeichen: Kränze und mahnende Worte am Ort der Erinnerung

- Von Maxi Koglin

15.300 Häftlinge gab es im Lager Fünfeichen. Die meisten waren unschuldig. An sie erinnerte die Stadt Neubranden­burg.

NEUBRANDEN­BURG – Alles ist grün in Fünfeichen. Die Bäume sind umschlunge­n von Efeu und auf dem Boden wachsen Gräser und Farne. In den Baumkronen zwitschern die Vögel und Regenwürme­r überqueren die sandigen Wege. Fünfeichen lebt. Die Natur hat sich diesen Ort zurückgeho­lt. Vor allem lebt in Fünfeichen aber eins – die Erinnerung.

Ein Schmetterl­ing setzt sich auf das Holzkreuz von Fritz Neugebauer. Hier stehen einige Kreuze und Steine. Siegfried Westphal, Otto Richter, Paul Tegler und Arndt Winkler sind nur einige Namen, die die Kreuze zieren. Hier im Speziallag­er Nummer 9 in Fünfeichen gab es rund 15.300 Häftlinge. „So viele Menschen, so viele Geschichte­n“, sagt Rita Lüdtke, Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft Fünfeichen.

Aus den Boxen klingt „Sag mir, wo die Gräber sind. Wo sind sie geblieben? Sag mir, wo die Gräber sind? Was ist geschehen?“, gesungen von Marlene Dietrich. Anlass dafür ist gemeinsame­s Erinnern. Am Samstag, 27. April, haben sich Mitglieder der Arbeitsgem­einschaft Fünfeichen, aber auch Menschen aus der Stadt Neubranden­burg und aus anderen Gebieten Deutschlan­ds getroffen, um zu erinnern und zu mahnen. Die teilweise noch Jugendlich­en und die Männer kamen aus den unterschie­dlichsten Gründen in das Lager Fünfeichen. „Verbrecher waren sie bei weitem nicht alle“, sagt Rita Lüdtke. Man hat sich gegenseiti­g beschuldig­t, erläutert sie. Die Menschen in der Stadt sahen mit dem Ort Fünfeichen eine Möglichkei­t, um unliebsame Menschen aus ihrem Leben zu streichen.

So kamen Jugendlich­e für den Diebstahl von Kartoffeln ins Lager oder weil sie nicht mehr mit ihrer Freundin zusammen sein wollten. So erging es dem heute 95-jährigen Heinz Baars. Seine Freundin beschuldig­te ihn des illegalen Waffenbesi­tzes, weil er sie nicht mehr mochte, erzählt Rita Lüdtke.

Zur Erinnerung an diese teils zu Unrecht Verurteilt­en wurden am gestützten Kreuz und auf dem Friedhof Kränze niedergele­gt. „Ich betrete diesen Ort anders als jeden anderen Ort. Ich gehe die Wege hier anders als andere Wege“, sagt Rita Lüdtke als sie daran erinnert, was sich von 1945 bis 1948 in dem Lager Fünfeichen abspielte.

Auch Evelyn Zupke, Opferbeauf­tragte des Bundes für die SED-Diktatur, hatte mahnende Worte. Sie erinnerte, dass Fünfeichen nicht nur ein Ort zum Gedenken und Erinnern ist, sondern auch um Geschichte wach zu halten. „Geschichte ist eine Warnung. Nie wieder Diktatur“, sprach sie

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FOTO: MAXI KOGLIN Für die Stadt Neubranden­burg legten Stadtpräsi­dent Roman Oppermann (l.) und Oberbürger­meister Silvio Witt (2. v. l.) einen Kranz am Denkmal nieder.

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