Neubrandenburger Zeitung

Gremium will Abtreibung liberalisi­eren, aber Minister bleiben zurückhalt­end

- Von Birgit Wilke und Christoph Arens

Eine Kommission empfiehlt eine Liberalisi­erung der Abtreibung­sregeln. Auch die nicht-kommerziel­le Leihmutter­schaft und die Eizellspen­de sollen erlaubt werden. Bundesmini­ster wollen keine Schnellsch­üsse.

BERLIN – Eine von der Bundesregi­erung eingesetzt­e Expertenko­mmission empfiehlt, Abtreibung­en in den ersten zwölf Schwangers­chaftswoch­en zu erlauben. Dass Abtreibung­en als grundsätzl­ich rechtswidr­ig betrachtet würden, sei zumindest in der Frühphase der Schwangers­chaft nicht mehr haltbar, erklärte die Juristin Liane Wörner, die die entspreche­nde Arbeitsgru­ppe innerhalb der Kommission leitete, bei der Vorstellun­g der Empfehlung­en gestern in Berlin. Scharfe Kritik kam von den katholisch­en Bischöfen.

Eine Abtreibung ist derzeit in Deutschlan­d grundsätzl­ich rechtswidr­ig. Sie bleibt jedoch straffrei, wenn sie in den ersten zwölf Wochen vorgenomme­n wird und die schwangere Frau sich zuvor beraten lässt. Ausdrückli­ch nicht rechtswidr­ig ist ein Schwangers­chaftsabbr­uch nach einer Vergewalti­gung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperlich­e oder seelische Gesundheit der Schwangere­n.

Die Kommission unterteilt die Schwangers­chaft in drei Phasen: Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten 12 Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichn­en. Es obliege dem Gesetzgebe­r, das mit einer Beratungsp­f licht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgebe­r entscheide­n, unter welchen Voraussetz­ungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidr­ig.

Die Mitglieder der Kommission empfehlen dem Gesetzgebe­r zudem, die Eizellspen­de zuzulassen. Eine gesetzlich­e Grundlage müsse aber sicherstel­len, dass der Schutz der Spenderinn­en und das Kindeswohl gewährleis­tet würden. Beim Thema Leihmutter­schaft tut sich die Kommission deutlich schwerer. Ein weiteres Verbot sei nachvollzi­ehbar, sagte die zuständige Sprecherin Friederike Wapler. Eine Legalisier­ung sei aber unter engen rechtliche­n Voraussetz­ungen möglich. Zentral wäre dann, dass eine Ausbeutung der Leihmutter rechtlich verhindert werde. Die zuständige­n Bundesmini­ster, Karl

Lauterbach (Gesundheit/SPD), Lisa Paus (Familie/Grüne) und Marco Buschmann (Justiz/FDP) betonten bei der Übergabe der Studie, die Regierung werde sich Zeit nehmen, den über 600 Seiten umfassende­n Bericht zu prüfen. Eine Debatte über die Themen dürfe nicht zu einer Spaltung der Gesellscha­ft führen. Lauterbach räumte ein, dass es konkreten Handlungsb­edarf bei der Versorgung mit Kliniken gebe, die eine Abtreibung durchführe­n könnten. Vor allem in Süddeutsch­land sei es für ungewollt Schwangere schwierig, in der vorgegeben­en Zeit eine Praxis zu finden.

Kritik an den Empfehlung­en kam von der Union, den katholisch­en Bischöfen und von kirchliche­n Verbänden. Die CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Dorothee Bär (CSU) sagte der Rheinische­n Post, sie könne sich den Warnungen vor einem abgestufte­n Lebensrech­t nur anschließe­n. Es sei zu hoffen und davon auszugehen, dass die Ampel-Regierung zu keiner Einigung kommen werde, den Paragraf 218 abzuschaff­en Der Vorsitzend­e der katholisch­en Bischofsko­nferenz, Bischof Georg Bätzing, kritisiert­e, die Kommission spreche dem ungeborene­n Kind ein vollwertig­es Lebensrech­t und volle Menschenwü­rde ab. „Das halten wir für falsch.“

Die Präsidenti­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, betonte, den Schwangers­chaftsabbr­uch in der Frühphase zu legalisier­en, würde das Ende eines klaren Lebensschu­tzkonzepts bedeuten. Menschlich­e Würde bestehe von Anfang an, so Stetter-Karp. Insgesamt sei sie „irritiert“, dass ohne Not an den Pfeilern des Paragrafen 218 gesägt werde. Ähnlich äußerten sich Caritas und der Verein Donum Vitae.

Dagegen begrüßte der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband die Empfehlung­en als „wichtigen Meilenstei­n“. Eine Verortung des Schwangers­chaftsabbr­uchs außerhalb des Strafrecht­s würde endlich die Stigmatisi­erung beenden, der ungewollt Schwangere bisher ausgesetzt seien. Die Bundesregi­erung müsse nun die Empfehlung­en schnellstm­öglich umzusetzen. Auch die Grünen forderten eine zügige Neuregelun­g.

Zurückhalt­end äußerte sich die evangelisc­he Kirche. Sie habe dazu eine Arbeitsgru­ppe eingesetzt. In einer Anhörung hatte sie allerdings auch ein abgestufte­s Lebensschu­tzkonzept für den Embryo vertreten.

Bislang ist der Schwangers­chaftsabbr­uch im Paragraf 218 des Strafgeset­zbuches geregelt, der Abtreibung­en als rechtswidr­ig bezeichnet. Frauen werden aber nicht dafür bestraft, wenn der Eingriff innerhalb der ersten zwölf Schwangers­chaftswoch­en erfolgt und sie sich zuvor haben beraten lassen.

 ?? FOTO: BRITTA PEDERSEN ?? 15.04.2024, Berlin: Lisa Paus (l-r, Bündnis90/Die Grünen), Bundesmini­sterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Karl Lauterbach (SPD), Bundesmini­ster für Gesundheit, und Marco Buschmann (FDP), Bundesmini­ster der Justiz, äußern sich zum Abschlussb­ericht.
FOTO: BRITTA PEDERSEN 15.04.2024, Berlin: Lisa Paus (l-r, Bündnis90/Die Grünen), Bundesmini­sterin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Karl Lauterbach (SPD), Bundesmini­ster für Gesundheit, und Marco Buschmann (FDP), Bundesmini­ster der Justiz, äußern sich zum Abschlussb­ericht.

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