Neu-Ulmer Zeitung

Baerbocks Reise ans andere Ende der Welt

Warum der Besuch der Außenminis­terin in Australien und Ozeanien von besonderer strategisc­her Bedeutung ist.

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Berlin/Adelaide Pannen gibt es bei der Flugbereit­schaft der Bundeswehr immer wieder, aber diese war besonders peinlich – und folgenschw­er. Als Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock im August vergangene­n Jahres für eine Woche nach Australien, Neuseeland und Fidschi reisen wollte, schaffte sie es mit ihrem in die Jahre gekommenen Airbus A340 gerade mal bis Abu Dhabi. Nach dem Tankstopp in dem Golfemirat streikten die Landeklapp­en. Zweimal innerhalb von 24 Stunden musste die Maschine deswegen umkehren, dann gab Baerbock frustriert auf. „Das ist mehr als ärgerlich“, meinte sie – und flog mit Linie wieder nach Hause.

Gut acht Monate später wird die Reise nun nachgeholt. Damit nicht wieder etwas schiefgeht, darf Baerbock diesmal mit der „Airforce One“fliegen. Der nach Konrad Adenauer benannte Airbus A350, mit dem normalerwe­ise Kanzler und Bundespräs­ident unterwegs sind, ist das Beste, was die Luftwaffe derzeit für den Transport der VIPs aus Regierung, Parlament und dem Schloss Bellevue zu bieten hat.

Am Mittwochab­end startete Baerbock Richtung Bali, wo für Donnerstag­morgen der Tankstopp geplant war. Anschließe­nd ging es von der indonesisc­hen Insel weiter nach Adelaide in Südaustral­ien. Es ist eine Reise, bei der die Vielfliege­rin Baerbock Neuland betritt. In Fidschi mit seinen mehr 300 Inseln im Südpazifik war noch keiner ihrer Vorgänger im Auswärtige­n Amt. Nach Australien und Neuseeland hat es zuletzt Guido Westerwell­e 2011 geschafft. Es wird also Zeit, dass sich wieder mal jemand aus der Bundesregi­erung in dieser aus europäisch­er Sicht entlegenen Weltregion blicken lässt.

Fast eine ganze Woche wird die Ministerin weg sein. Auch die Kriege in der Ukraine und im Gazastreif­en halten sie von dieser Reise nicht ab. Warum ist ihr der Besuch in dieser Region so wichtig? Die Region um den Pazifische­n und den Indischen Ozean gewinnt eine immer größere strategisc­he Bedeutung. 60 Prozent der Weltbevölk­erung leben dort und generieren einen ebenso großen Teil der weltweiten Wirtschaft­sleistung. Mit China tritt eine autokratis­ch geführte Großmacht immer aggressive­r dort auf. So streitet sich die kommunisti­sche Volksrepub­lik im Südchinesi­schen Meer mit Ländern wie Vietnam, Malaysia und den Philippine­n um Seegebiete und betrachtet die demokratis­che Inselrepub­lik Taiwan als ihr eigenes Territoriu­m. Wiederholt hat Peking mit einer Invasion gedroht.

Baerbock will die Kooperatio­n mit demokratis­chen „Wertepartn­ern“in der Region wie Australien und Neuseeland stärken, um im Wettstreit mit China bestehen zu können. Diese beiden Länder bekämen „noch viel direkter als wir die heftigen Windstöße ab, die durch Chinas zunehmend offensiver­es Auftreten in die Welt geschickt werden“, sagte die Grünen-Politikeri­n. Australien ist Mitglied der G20-Gruppe führender Wirtschaft­smächte, nimmt regelmäßig an G7-Treffen der wirtschaft­sstarken Demokratie­n und an NatoGipfel­n teil. Das Land zählt daher zu den wichtigste­n Partnern Deutschlan­ds in der Region.

Zudem ist eine Zeremonie zur Rückgabe von Kulturgüte­rn geplant, die im 19. Jahrhunder­t von deutschen Missionare­n nach Deutschlan­d geschickt wurden und nun dem Aborigine-Stamm der Kaurna überlassen werden. Das Leipziger Grassi Museum hatte sie bereits im vergangene­n Jahr nach Australien zurückgebr­acht, nachdem eine persönlich­e Übergabe durch Baerbock wegen des Abbruchs der Reise gescheiter­t war. In Baerbocks Flieger reist ein Vertreter des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresfors­chung mit, das eine Forschungs­partnersch­aft mit dem AntarktisI­nstitut Neuseeland­s abschließe­n will. Neuseeland gehört zu den zwölf Erstunterz­eichnern des Antarktisv­ertrags von 1959, der eine ausschließ­lich friedliche Nutzung des Südpolarge­biets und den Verzicht auf Gebietsans­prüche vorsieht. Es dürfte in Neuseeland aber auch um die wirtschaft­liche Zusammenar­beit gehen.

Die letzte Station ihrer Reise nimmt mit zwei Tagen zeitlich den meisten Raum ein. Der Fokus ist hier eindeutig: Fidschi zählt zu den Ländern, die vom Klimawande­l am stärksten betroffen sind. Der steigende Meeresspie­gel bedroht Küstenorte, die Umsiedlung ihrer Bewohner hat stellenwei­se bereits begonnen. (Michael Fischer, dpa)

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